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Ethischer Welthandel Alternativen zu TTIP, WTO & Co Christian Felber

By: Contributor(s): Material type: TextTextPublisher number: Bestellnummer: 551/06338Language: German Publisher: Wien Deuticke [2017]Description: 222 Seiten 21 cmContent type:
  • Text
Media type:
  • ohne Hilfsmittel zu benutzen
Carrier type:
  • Band
ISBN:
  • 9783552063389
  • 3552063382
Subject(s): Additional physical formats: Erscheint auch als: Ethischer WelthandelDDC classification:
  • 382.01 22/ger
Online resources: Review: Quelle: www.rezensionen.at - Was Franz Josef Radermacher an anderer Stelle andeutet, führt Christian Felber in seinem neuen Buch anhand einer aufschlussreichen Analyse über die Geschichte des Freihandels aus: alle heute erfolgreichen Volkswirtschaften hätten sich in der Anfangsphase mit Zöllen gegen Billigkonkurrenz des Auslandes geschützt. Nun würden die reichen Staaten, verkörpert durch die WTO, von den ärmeren fordern, ihre Märkte zu öffnen: „Wein predigen, Wasser trinken“ nennt Felber diese Doppelmoral. Felber widerlegt die Dogmen der „Freihandelsreligion“ (S. 18), etwa die Theorie der komparativen Kostenvorteile (ein Beispiel: „mehr als die Hälfte des Welthandels [ist] Redundanzhandel. Export und Import von Autos von und nach Japan, Deutschland, Frankreich und den USA“, S. 28), und er zeigt Schwachstellen auf, etwa die Leugnung ungleicher Handelsbilanzen als Problem-Verschärfer („2015 hatten weltweit 62 Länder einen Handelsbilanz-Überschuss, 123 Länder ein Defizit.“ S. 39). Ganz zu schweigen von den ökologischen Kosten etwa durch die explodierenden Transportvolumina (der Welthandel ist von 1950 bis 2002 um das 22-fache gestiegen bei einer Versiebenfachung der Weltwirtschaftsleistung, S. 44). An vielen Beispielen legt Felber dar: „Freihandel zwischen Ungleichen vergrößert die Ungleichheit“ (S. 46) – und zwar zwischen den Staaten und innerhalb dieser. Der Standortwettbewerb führe zu einer Abwärtsspirale: „Nicht Unternehmen konkurrieren um die beste Qualität und den niedrigsten Preis, sondern Gemeinwesen (Staaten, Demokratien) um die günstigsten Bedingungen für Investoren.“ (S. 54) Dies führe zu einer historisch einmaligen Machtkonzentration und der Aushöhung der Demokratien, was der Autor an bestehenden (etwa Mercosur) und geplanten Freihandelsabkommen (TTIP und CETA) ausführt. Felbers Fazit: „Nicht Länder sind die Gewinner des globalen Gegeneinanders, sondern transnationale Unternehmen und vermögende Eliten, welche diese kontrollieren und zunehmend konzentriert besitzen.“ (S. 60) Was wären die Alternativen? Felber nennt zwölf Bedingungen für ein funktionierendes Freihandelssystem (S. 71f.): globale Produktionsplanung und ausgeglichene Handelsbilanzen, stabile Wechselkurse und eingeschränkter Kapitalverkehr, gleiche Produktionsbedingungen (sprich gleiche „Transaktionskosten“, z. B. angemessene Global-Löhne) und ökologische Kostenwahrheit zählen dazu ebenso wie Nicht-Reziprozität („Länder mit geringerem Entwicklungsstand müssen ihre Grenzen nicht im gleichen Maße öffnen wie hochindustrialisierte Länder“), verbindliche Umverteilungsmaßnahmen, „die das Überschreiten eines definierten Maßes an Ungleichheit in jedem Land verhindern“ sowie gemeinsame Arbeits- und Sozialstandards, um Standortwettbewerb zu verhindern. Weiters zum Kanon fairer Handelsbedingungen gehören laut Felber strenge Kartell-Gesetze sowie „Obergrenzen für Marktanteile und Größe von Unternehmen“. Der „Schutz lokaler und nationaler Wirtschaftszweige zum Erhalt kultureller und ökonomischer Vielfalt und Resilienz“ sowie die Begrenzung der Arbeitsteilung sollen schließlich sinnvolle Arbeit für alle ermöglichen. Würden diese Kriterien eingehalten, so räumt Felber ein, bräuchte man aber gar nicht mehr von einem „Freihandelssystem“ sprechen. Er schlägt daher einen „ethischen Welthandel“ vor, der Handel als Mittel, nicht jedoch als Ziel sieht. Aufzuhören sei mit der Unterstellung, dass Freihandelsgegner gegen Freiheit sind („Nach der Logik, Menschen, die es vorziehen, kein Fleisch zu essen, als ´Ernährungsgegner´ zu bezeichnen.“ [S. 75]) Neue Gesetzesvorhaben müssten auf ihre Konformität mit Menschenrechten und Umweltschutz, nicht jedoch auf „Freihandelskonformität“ geprüft werden. Felber schlägt ein ethisches Welthandelssystem unter der Ägide der UNO vor. Dessen Kern könnte in einer Taxativ-Liste von UN-Abkommen liegen, deren Nicht-Ratifikation zu Zollaufschlägen gegenüber den Ratifizierenden führt: „Am Ende muss es Teilnehmer am Welthandel auf dem ´ebenen Spielfeld´ teurer kommen, dass sie foulen, nicht billiger.“ (S. 95) „Asymmetrische Grenzöffnungen“ bzw. eine „Infant Industry Policy“, die bereits der weitgehend vergessene Ökonom des 19. Jahrhunderts Friedrich List vorgeschlagen hatte, der Erlass von Finanz-Schulden („Insolvenzrecht für Staaten“) sowie Hilfe beim Aufbau funktionierender Infrastrukturen wären laut Felber auch die bessere Entwicklungshilfe. Der Autor nimmt auch die Unternehmen in die Pflicht: CSR müsste strenger gefasst werden, um die „Struktur der Verantwortungslosigkeit“ bzw. der „Architektur der Straflosigkeit“ (S. 150) zu überwinden. Verbindliche UN-Normen für transnationale Unternehmen seien nötig. Felber verweist dabei auf 2003 publizierte „Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights“ einer UN-Subkommission, die dem unverbindlichen „Global Compact“ von Kofi Annan Zähne verleihen sollten, was jedoch von den Konzern-Lobbys verhindert wurde (S. 151). Die internationale Bewegung der Gemeinwohlökonomie könnte – so der Autor – Vorbild für ganzheitliche Unternehmensbilanzen werden. Schließlich plädiert Felber für die Stärkung von regionalen Wirtschaftsstrukturen und „ökonomischer Subsidiarität“ (S. 143). Er wird dabei fündig auch bei John Maynard Keynes, der 1933 geschrieben hat: „Ich sympathisiere mit denen, die ökonomische Verbindungen zwischen den Nationen minimieren statt zu maximieren. Ideen, Wissen, Wissenschaft und Gastfreundschaft, Reisen – diese Dinge sollten aufgrund ihrer Natur international sein. Aber lassen wir Waren hausgemacht sein, wo immer das vernünftig, zweckmäßig und möglich ist.“ (zit. S. 145) Das Buch macht deutlich, wem der gegenwärtige ´Freihandel´ nützt, und es enthält eine Fülle an plausiblen Vorschlägen, wie internationale Wirtschaft anders und fairer organisiert werden könnte. Bleibt die Frage, wie der Wandel gelingen soll. Felber plädiert analog zu den in seinem Buch über die Gemeinwohlökonomie vorgeschlagenen Wirtschaftskonventen für handelspolitische Konvente, in denen ein neues „Wirtschafts-Völkerrecht“ erarbeitet werden soll. Ein erster Schritt dorthin wäre völlige Transparenz im Bereich der Verhandlung von Freihandelsabkommen und deren Abstimmung durch den Souverän. Politischer Druck hierfür wird wohl entscheidend sein, um die Weichen neu zu stellen. Hans Holzinger
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Bücher Bücher Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB Sachliteratur GW.T FEL (Browse shelf(Opens below)) Available 10132210

Quelle: www.rezensionen.at -

Was Franz Josef Radermacher an anderer Stelle andeutet, führt Christian Felber in seinem neuen Buch anhand einer aufschlussreichen Analyse über die Geschichte des Freihandels aus: alle heute erfolgreichen Volkswirtschaften hätten sich in der Anfangsphase mit Zöllen gegen Billigkonkurrenz des Auslandes geschützt. Nun würden die reichen Staaten, verkörpert durch die WTO, von den ärmeren fordern, ihre Märkte zu öffnen: „Wein predigen, Wasser trinken“ nennt Felber diese Doppelmoral.
Felber widerlegt die Dogmen der „Freihandelsreligion“ (S. 18), etwa die Theorie der komparativen Kostenvorteile (ein Beispiel: „mehr als die Hälfte des Welthandels [ist] Redundanzhandel. Export und Import von Autos von und nach Japan, Deutschland, Frankreich und den USA“, S. 28), und er zeigt Schwachstellen auf, etwa die Leugnung ungleicher Handelsbilanzen als Problem-Verschärfer („2015 hatten weltweit 62 Länder einen Handelsbilanz-Überschuss, 123 Länder ein Defizit.“ S. 39). Ganz zu schweigen von den ökologischen Kosten etwa durch die explodierenden Transportvolumina (der Welthandel ist von 1950 bis 2002 um das 22-fache gestiegen bei einer Versiebenfachung der Weltwirtschaftsleistung, S. 44).
An vielen Beispielen legt Felber dar: „Freihandel zwischen Ungleichen vergrößert die Ungleichheit“ (S. 46) – und zwar zwischen den Staaten und innerhalb dieser. Der Standortwettbewerb führe zu einer Abwärtsspirale: „Nicht Unternehmen konkurrieren um die beste Qualität und den niedrigsten Preis, sondern Gemeinwesen (Staaten, Demokratien) um die günstigsten Bedingungen für Investoren.“ (S. 54) Dies führe zu einer historisch einmaligen Machtkonzentration und der Aushöhung der Demokratien, was der Autor an bestehenden (etwa Mercosur) und geplanten Freihandelsabkommen (TTIP und CETA) ausführt.
Felbers Fazit: „Nicht Länder sind die Gewinner des globalen Gegeneinanders, sondern transnationale Unternehmen und vermögende Eliten, welche diese kontrollieren und zunehmend konzentriert besitzen.“ (S. 60)
Was wären die Alternativen? Felber nennt zwölf Bedingungen für ein funktionierendes Freihandelssystem (S. 71f.): globale Produktionsplanung und ausgeglichene Handelsbilanzen, stabile Wechselkurse und eingeschränkter Kapitalverkehr, gleiche Produktionsbedingungen (sprich gleiche „Transaktionskosten“, z. B. angemessene Global-Löhne) und ökologische Kostenwahrheit zählen dazu ebenso wie Nicht-Reziprozität („Länder mit geringerem Entwicklungsstand müssen ihre Grenzen nicht im gleichen Maße öffnen wie hochindustrialisierte Länder“), verbindliche Umverteilungsmaßnahmen, „die das Überschreiten eines definierten Maßes an Ungleichheit in jedem Land verhindern“ sowie gemeinsame Arbeits- und Sozialstandards, um Standortwettbewerb zu verhindern. Weiters zum Kanon fairer Handelsbedingungen gehören laut Felber strenge Kartell-Gesetze sowie „Obergrenzen für Marktanteile und Größe von Unternehmen“. Der „Schutz lokaler und nationaler Wirtschaftszweige zum Erhalt kultureller und ökonomischer Vielfalt und Resilienz“ sowie die Begrenzung der Arbeitsteilung sollen schließlich sinnvolle Arbeit für alle ermöglichen. Würden diese Kriterien eingehalten, so räumt Felber ein, bräuchte man aber gar nicht mehr von einem „Freihandelssystem“ sprechen. Er schlägt daher einen „ethischen Welthandel“ vor, der Handel als Mittel, nicht jedoch als Ziel sieht. Aufzuhören sei mit der Unterstellung, dass Freihandelsgegner gegen Freiheit sind („Nach der Logik, Menschen, die es vorziehen, kein Fleisch zu essen, als ´Ernährungsgegner´ zu bezeichnen.“ [S. 75])
Neue Gesetzesvorhaben müssten auf ihre Konformität mit Menschenrechten und Umweltschutz, nicht jedoch auf „Freihandelskonformität“ geprüft werden.
Felber schlägt ein ethisches Welthandelssystem unter der Ägide der UNO vor. Dessen Kern könnte in einer Taxativ-Liste von UN-Abkommen liegen, deren Nicht-Ratifikation zu Zollaufschlägen gegenüber den Ratifizierenden führt: „Am Ende muss es Teilnehmer am Welthandel auf dem ´ebenen Spielfeld´ teurer kommen, dass sie foulen, nicht billiger.“ (S. 95) „Asymmetrische Grenzöffnungen“ bzw. eine „Infant Industry Policy“, die bereits der weitgehend vergessene Ökonom des 19. Jahrhunderts Friedrich List vorgeschlagen hatte, der Erlass von Finanz-Schulden („Insolvenzrecht für Staaten“) sowie Hilfe beim Aufbau funktionierender Infrastrukturen wären laut Felber auch die bessere Entwicklungshilfe. Der Autor nimmt auch die Unternehmen in die Pflicht: CSR müsste strenger gefasst werden, um die „Struktur der Verantwortungslosigkeit“ bzw. der „Architektur der Straflosigkeit“ (S. 150) zu überwinden. Verbindliche UN-Normen für transnationale Unternehmen seien nötig. Felber verweist dabei auf 2003 publizierte „Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights“ einer UN-Subkommission, die dem unverbindlichen „Global Compact“ von Kofi Annan Zähne verleihen sollten, was jedoch von den Konzern-Lobbys verhindert wurde (S. 151). Die internationale Bewegung der Gemeinwohlökonomie könnte – so der Autor – Vorbild für ganzheitliche Unternehmensbilanzen werden.
Schließlich plädiert Felber für die Stärkung von regionalen Wirtschaftsstrukturen und „ökonomischer Subsidiarität“ (S. 143). Er wird dabei fündig auch bei John Maynard Keynes, der 1933 geschrieben hat: „Ich sympathisiere mit denen, die ökonomische Verbindungen zwischen den Nationen minimieren statt zu maximieren. Ideen, Wissen, Wissenschaft und Gastfreundschaft, Reisen – diese Dinge sollten aufgrund ihrer Natur international sein. Aber lassen wir Waren hausgemacht sein, wo immer das vernünftig, zweckmäßig und möglich ist.“ (zit. S. 145)
Das Buch macht deutlich, wem der gegenwärtige ´Freihandel´ nützt, und es enthält eine Fülle an plausiblen Vorschlägen, wie internationale Wirtschaft anders und fairer organisiert werden könnte. Bleibt die Frage, wie der Wandel gelingen soll. Felber plädiert analog zu den in seinem Buch über die Gemeinwohlökonomie vorgeschlagenen Wirtschaftskonventen für handelspolitische Konvente, in denen ein neues „Wirtschafts-Völkerrecht“ erarbeitet werden soll. Ein erster Schritt dorthin wäre völlige Transparenz im Bereich der Verhandlung von Freihandelsabkommen und deren Abstimmung durch den Souverän. Politischer Druck hierfür wird wohl entscheidend sein, um die Weichen neu zu stellen. Hans Holzinger

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