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Gut gegen Nordwind Roman Daniel Glattauer

By: Material type: TextTextLanguage: German Publisher: Wien Deuticke 2006Description: 222 S. 21 cmContent type:
  • Text
Media type:
  • ohne Hilfsmittel zu benutzen
Carrier type:
  • Band
ISBN:
  • 9783552060418
  • 3552060413
Subject(s): Genre/Form: DDC classification:
  • 830 B 22sdnb
Review: Quelle: www.rezensionen.at - In der gepflegten Unterhaltungsliteratur geht es meist nur um das Eine: kriegen sich die beiden und zu wem soll man als Leser helfen? "Gut gegen Nordwind" ist der E-Mail-Roman schlechthin. Das ewige Thema vom Anbandeln im gesetzteren Alter baut sich virtuell auf, steuert der physischen Begegnung zu und sackt dann wieder jäh zusammen, während die Mailbox geschlossen wird. Die Handlung ist perfekt dynamisch aufgebaut, aus Versehen landen Mails von Emmi bei Leo, allmählich entsteht Neugierde am unbekannten Gegenüber, je nach Laune und Tagesstimmung werden die Mails frecher, bis tatsächlich etwas wie virtuelle Hormonabhängigkeit entsteht. Die Erzählform des E-Mail-Traffic kommt diesem modernen Zustand der flüchtig intensiven Vernetzung der Gefühle perfekt auf die Spur. So beiläufig entstehen Biographien zweier x-beliebiger Menschen, die aufeinander zusteuern ohne große Absicht. Sie ist verheiratet, er hat eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Im Netz aber ist ein Zustand der völligen Neugierde und Unversehrtheit möglich. Die jähe Stimmung wie bei einer Liebesbeziehung kann im nächsten Augenblick schon wieder umschlagen in anonymes Allerweltsinteresse. Für den Leser bringt der Roman so allerhand Vorteile. Da er zerrissen und vage strukturiert abläuft wie das echte Leben, kann man jederzeit in den Mail-Verkehr einsteigen oder diesen wieder abbrechen. Die Zeitangaben sind zeitlos und minimalisiert wie in der Regieanweisung eines Theaterstückes. Nach zehn Minuten, nach drei Minuten, in Echtzeit: Im Roman entsteht jene aufgeregte Hektik, die manchmal Mail-Fetischisten plagt, wenn es zu einem Gefühlsstau im echten Leben kommt. Und wie man es vom Brief-Roman gewohnt ist, schlägt die intime Welt der Figuren auf direkte Weise auf den Leser über. Deutlich wird das auch bei den Stimmungsschwankungen der Protagonisten, wenn da die eine dem anderen tippt: Arschloch (31), dann ist man wahrlich tief getroffen. Daniel Glattauer entlarvt die Trivialität der Mail-Welt, indem er sie konstruktiv anwendet und so an ihre natürliche Erschöpfung bringt. Mails sind dazu da, den imaginären Kontakt zu beschleunigen und das Treffen in Echtzeit hinauszuzögern. Ab einem gewissen Punkt macht sich die Mail-Welt selbständig und hat wie echte Literatur scheinbar nichts mehr mit der handfesten Welt zu tun. Gut gegen Nordwind ist so eine poetische Formulierung, die letztlich nichts besagt, eine Zauberformel die ins Leere zaubert. Als Leser ist man nach diesem Roman erschöpft und ernüchtert. Glattauers Roman zeigt, dass das Leben wirklich so trivial ist, wie wir es nie wahr haben wollen. Helmuth Schönauer
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Bücher Bücher Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB Belletristik DR GLA (Browse shelf(Opens below)) Available 10064641

Quelle: www.rezensionen.at -

In der gepflegten Unterhaltungsliteratur geht es meist nur um das Eine: kriegen sich die beiden und zu wem soll man als Leser helfen?
"Gut gegen Nordwind" ist der E-Mail-Roman schlechthin. Das ewige Thema vom Anbandeln im gesetzteren Alter baut sich virtuell auf, steuert der physischen Begegnung zu und sackt dann wieder jäh zusammen, während die Mailbox geschlossen wird.
Die Handlung ist perfekt dynamisch aufgebaut, aus Versehen landen Mails von Emmi bei Leo, allmählich entsteht Neugierde am unbekannten Gegenüber, je nach Laune und Tagesstimmung werden die Mails frecher, bis tatsächlich etwas wie virtuelle Hormonabhängigkeit entsteht.
Die Erzählform des E-Mail-Traffic kommt diesem modernen Zustand der flüchtig intensiven Vernetzung der Gefühle perfekt auf die Spur. So beiläufig entstehen Biographien zweier x-beliebiger Menschen, die aufeinander zusteuern ohne große Absicht. Sie ist verheiratet, er hat eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Im Netz aber ist ein Zustand der völligen Neugierde und Unversehrtheit möglich. Die jähe Stimmung wie bei einer Liebesbeziehung kann im nächsten Augenblick schon wieder umschlagen in anonymes Allerweltsinteresse.
Für den Leser bringt der Roman so allerhand Vorteile. Da er zerrissen und vage strukturiert abläuft wie das echte Leben, kann man jederzeit in den Mail-Verkehr einsteigen oder diesen wieder abbrechen. Die Zeitangaben sind zeitlos und minimalisiert wie in der Regieanweisung eines Theaterstückes. Nach zehn Minuten, nach drei Minuten, in Echtzeit: Im Roman entsteht jene aufgeregte Hektik, die manchmal Mail-Fetischisten plagt, wenn es zu einem Gefühlsstau im echten Leben kommt. Und wie man es vom Brief-Roman gewohnt ist, schlägt die intime Welt der Figuren auf direkte Weise auf den Leser über.
Deutlich wird das auch bei den Stimmungsschwankungen der Protagonisten, wenn da die eine dem anderen tippt: Arschloch (31), dann ist man wahrlich tief getroffen.
Daniel Glattauer entlarvt die Trivialität der Mail-Welt, indem er sie konstruktiv anwendet und so an ihre natürliche Erschöpfung bringt. Mails sind dazu da, den imaginären Kontakt zu beschleunigen und das Treffen in Echtzeit hinauszuzögern. Ab einem gewissen Punkt macht sich die Mail-Welt selbständig und hat wie echte Literatur scheinbar nichts mehr mit der handfesten Welt zu tun. Gut gegen Nordwind ist so eine poetische Formulierung, die letztlich nichts besagt, eine Zauberformel die ins Leere zaubert. Als Leser ist man nach diesem Roman erschöpft und ernüchtert. Glattauers Roman zeigt, dass das Leben wirklich so trivial ist, wie wir es nie wahr haben wollen.
Helmuth Schönauer

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