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˜Dasœ Wetter vor 15 Jahren Roman Wolf Haas

By: Material type: TextTextLanguage: German Publisher: Hamburg Hoffmann und Campe 2006Edition: 1. AuflDescription: 223 S. 21 cmContent type:
  • Text
Media type:
  • ohne Hilfsmittel zu benutzen
Carrier type:
  • Band
ISBN:
  • 9783455400045
  • 3455400043
Subject(s): Genre/Form: DDC classification:
  • 830 B 22sdnb
Review: Quelle: www.rezensionen.at - Alexander Kluy Jeden Einwand vorweggenommen Wolf Haas' Roman "Das Wetter vor 15 Jahren" And now to something completely different." Die berühmte Ankündigung der britischen Komikertruppe Monty Python zwischen ihren anarcho-humoristischen Sketchen in Monty Python's Flying Circus hat Wolf Haas wörtlich genommen. Kein Kriminalroman ist sein neues Buch, für das er sich drei Jahre Zeit genommen hat, vielmehr eine Liebesgeschichte. Und Simon Brenner hat ausgedient. Statt dessen taucht bei Wolf Haas als Protagonist "Wolf Haas" auf. Verkehrte Welt also. Verkehrte Welt zweiter Teil: Plötzlich drängen, etwas überraschend, bisher dem Kriminalistischen eher unverdächtige österreichische Autoren wie Paulus Hochgatterer ins Kriminalgenre, während die bemerkenswertesten, weil fundamental unorthodoxen österreichischen Kriminalschriftsteller - Heinrich Steinfest und Wolf Haas - sich vom Mord-und-Totschlagsfach abwenden und ihre neuen Bücher postwendend auf der exklusiven Longlist des Deutschen Bücherpreises 2006 wiederfinden. Und Verkehrte Welt letzter Teil. Denn selbstverständlich gab es vor der Buchpräsentation von Das Wetter vor 15 Jahren, dem neuen Nicht-Brenner-, respektive Post-Brenner-Roman des einstigen Werbetexters Wolf Haas, eine Vor-Vor-Präsentation - eine Open-Air-Lesung im Wiener Museumsquartier, zu der sich 1400 Besucher drängten und solcherart den traditionellen Rahmen der literarischen Lesung sprengten. Erwartungsgemäß unterläuft Haas als begabter Rezitationskünstler nicht nur realiter jegliche Erwartungen. Denn sein Roman ist nicht nur ein Dialogroman, sondern er spitzt das Gespräch zum kulturellen Paradigma der Gegenwart zu: zum Interview. Es gibt mittlerweile ja schon Zeitschriften, die zur Gänze aus Interviews bestehen und auf diese Art und Weise Authentizität in eigenen Worten und innersten Gedanken in Aussicht stellen und vorgaukeln. Doch wer solches hier erwartet, liegt erwartungsgemäß falsch - und richtig. Denn Wolf Haas hat ein Gaukelspiel vom Lügen und Aneinandervorbeireden inszeniert, vom Dahersagen und Hinterherspüren, von Sackgassen, Abschweifungen und falschen Wegweisern, von Deckung und Deckungsuchen. Das fängt mit den Protagonisten und deren clash of civilization an. Der auftretende Österreicher "Wolf Haas" ist nicht (ganz) deckungsgleich mit dem österreichischen Autor gleichen Namens. Und die nur unter der äußerst charmanten Schmähbezeich- nung "Literaturbeilage" auftretende Literaturredakteurin ist eine Norddeutsche mit Sprachfehler ("Kirche" wird bei ihr zu "Kürche"), teutonisch gewichtiger Halbbildung und mittelstarker Auffassungsgabe. In fünf Teilen und an fünf Tagen führen diese beiden eine Unterhaltung über den "Roman" von "Wolf Haas", in dem eine fünfzehn Jahre währende Obsession des in Essen im Ruhrgebiet lebenden Vittorio Kowalski, Beruf: Zechenabbauer, zur Pensionswirtstochter Anni im österreichischen Farmach geschildert wird. Dieser Vittorio ist ein recht armer, gehemmter und farbloser Tropf, der nie darüber hinweggekommen ist, dass er im Alter von fünfzehn Jahren sich mit Anni, in die er verliebt war, vor einem starken Regen in die Berghütte von Annis Vater flüchtete. Während ihre Sachen trockneten, klopfte Annis Vater an die Tür, sie öffneten ihm nicht, und am folgenden Tage wurde sei ne Leiche aus einem nahen Fluss gefischt, mitgerissen vom über die Ufer getretenen Bergbach. Fünfzehn Jahre später tritt der Wetterfetischist Vittorio, der sich ausschließlich auf Farmachs klimatische Verhältnisse in den verstrichenen fünfzehn Jahren spezialisiert hat, mit Erfolg in der TV-Sendung Wetten, dass… auf, ein Freund fingiert eine Kontaktaufnahme Annis, und Vittorio reist nach Farmach. Kurz vor Annis Hochzeit trifft er ein, wird bei der Besichtigung der alten Hütte verschüttet, um Haaresbreite gerettet und Anni gibt ihm im Spitalbett einen Kuss. Dialoge schreiben kann Wolf Haas wie kaum ein anderer Autor deutscher Zunge, in den verbalen Windungen, Stockungen, Verdrehungen, kommunikativen Missverständnissen und unterhaltsamen Seitenhieben der Realität perfekt abgehorcht. Zirzensisch leicht hat er diesen Roman über einen Roman konstruiert, einen veritablen Babuschka-Roman. Falltür auf Falltür öffnet sich. Sicherheiten gibt es keine, sondern massierte Volten. Was real ist, und der Roman über Kowalski ist von "Wolf Haas" angeblich ganz eng dem - erfundenen - "Leben" nachgeschrieben worden, und was fiktiv, löst sich im Konversationspingpong nie auf. Kann es auch gar nicht. Wird doch dieser Romanroman in einem Roman beschrieben, in dem über den Roman gesprochen wird. Es ist somit eine endlos eskalierende Meta-Schleifenkonstruktion, ein Jack-in-the-Box-Buch, aus dem dann und wann unerwartet der Springteufel der Erkenntnis herausspringt. Und ausgerechnet diese Bezeichnung "Springteufel" will "Wolf Haas" im Gespräch vetrackterweise nicht einfallen. "Eigentlich gefällt mir das, wenn man als Autor solche Sachen übersieht. Und gerade weil man es vermeiden wollte, taucht es auf. Die kontrollierten Passagen sind sowieso immer die langweiligsten", heißt es an einer Stelle, die wie so viele andere höchst kontrolliert ist. Parodien und Satiren des Literaturbetriebes waren schon immer eine beliebte literarische Nebenarena. Nur wozu all dieser verbale Aufwand, diese rabulistische Artistik, all die Raffinesse, die Haas aufwendet, wenn am Ende alle Einwände gegen dieses Buch bereits im Buch aufgeführt sind: die blassen Figuren, die mehr als konventionelle Handlung, die in einer Aufdeckung und Aufhebung von Sünden mündet und als rosafarbener Abenteuerkitsch à la Hollywood ausklingt. Kritik neutralisiert hier von vorneherein die Kritik - all diese Ironieschleifen sind, wie die "Literaturbeilage" öfters meint, "too much". Dass man nicht noch mehr aus dem "Roman" von "Wolf Haas" lesen muss, ist schieres Glück. Denn schon die Passagen, die die Literaturkritikerin hie und da vorliest, selbstredend unter Protest von "Wolf Haas", lesen sich altbacken, ja medioker und so schön schlecht, dass es Haas (welchem?) ein springteufelartiges Vergnügen bereitet haben muss, solches zu Papier zu bringen. Man fühlt sich bei der Lektüre dieses Buches wie vor ausgestellten Zuckerbäckerexponaten in einem Zuckerbäckermuseum: alles sehr kunstfertig, fein und intrikat und die Frage hervorkitzelnd "Wie hat der das nur gemacht?". Nur nahrhaft ist es nicht. Wichtig ist es nicht. Und vergessen hat man's schneller, als man denkt. Es ist zu wenig und zu viel. Aber das las man doch - richtig: auf Seite 179: "Literaturbeilage: Zu wenig und zu viel Wolf Haas: Genau - ist des Narren Ziel. Woher kennen Sie das? Literaturbeilage: Na, aus Ihrem Buch. Wolf Haas: Ach so, ich hab geglaubt, das hab ich gestrichen." And now to something completely different.
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Bücher Bücher Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB Belletristik DR HAA (Browse shelf(Opens below)) Available 10063255

Quelle: www.rezensionen.at - Alexander Kluy

Jeden Einwand vorweggenommen
Wolf Haas' Roman "Das Wetter vor 15 Jahren"
And now to something completely different." Die berühmte Ankündigung der britischen Komikertruppe Monty Python zwischen ihren anarcho-humoristischen Sketchen in Monty Python's Flying Circus hat Wolf Haas wörtlich genommen. Kein Kriminalroman ist sein neues Buch, für das er sich drei Jahre Zeit genommen hat, vielmehr eine Liebesgeschichte. Und Simon Brenner hat ausgedient. Statt dessen taucht bei Wolf Haas als Protagonist "Wolf Haas" auf. Verkehrte Welt also.
Verkehrte Welt zweiter Teil: Plötzlich drängen, etwas überraschend, bisher dem Kriminalistischen eher unverdächtige österreichische Autoren wie Paulus Hochgatterer ins Kriminalgenre, während die bemerkenswertesten, weil fundamental unorthodoxen österreichischen Kriminalschriftsteller - Heinrich Steinfest und Wolf Haas - sich vom Mord-und-Totschlagsfach abwenden und ihre neuen Bücher postwendend auf der exklusiven Longlist des Deutschen Bücherpreises 2006 wiederfinden.
Und Verkehrte Welt letzter Teil. Denn selbstverständlich gab es vor der Buchpräsentation von Das Wetter vor 15 Jahren, dem neuen Nicht-Brenner-, respektive Post-Brenner-Roman des einstigen Werbetexters Wolf Haas, eine Vor-Vor-Präsentation - eine Open-Air-Lesung im Wiener Museumsquartier, zu der sich 1400 Besucher drängten und solcherart den traditionellen Rahmen der literarischen Lesung sprengten.
Erwartungsgemäß unterläuft Haas als begabter Rezitationskünstler nicht nur realiter jegliche Erwartungen. Denn sein Roman ist nicht nur ein Dialogroman, sondern er spitzt das Gespräch zum kulturellen Paradigma der Gegenwart zu: zum Interview. Es gibt mittlerweile ja schon Zeitschriften, die zur Gänze aus Interviews bestehen und auf diese Art und Weise Authentizität in eigenen Worten und innersten Gedanken in Aussicht stellen und vorgaukeln. Doch wer solches hier erwartet, liegt erwartungsgemäß falsch - und richtig. Denn Wolf Haas hat ein
Gaukelspiel vom Lügen und Aneinandervorbeireden inszeniert, vom Dahersagen und Hinterherspüren, von Sackgassen, Abschweifungen und falschen Wegweisern, von Deckung und Deckungsuchen. Das fängt mit den Protagonisten und deren clash of civilization an. Der auftretende Österreicher "Wolf Haas" ist nicht (ganz) deckungsgleich mit dem österreichischen Autor gleichen Namens. Und die nur unter der äußerst charmanten Schmähbezeich-
nung "Literaturbeilage" auftretende Literaturredakteurin ist eine Norddeutsche mit Sprachfehler ("Kirche" wird bei ihr zu "Kürche"), teutonisch gewichtiger Halbbildung und mittelstarker Auffassungsgabe.
In fünf Teilen und an fünf Tagen führen diese beiden eine Unterhaltung über den "Roman" von "Wolf Haas", in dem eine fünfzehn Jahre währende Obsession des in Essen im Ruhrgebiet lebenden Vittorio Kowalski, Beruf: Zechenabbauer, zur Pensionswirtstochter Anni im österreichischen Farmach geschildert wird. Dieser Vittorio ist ein recht armer, gehemmter und farbloser Tropf, der nie darüber hinweggekommen ist, dass er im Alter von fünfzehn Jahren sich mit Anni, in die er verliebt war, vor einem starken Regen in die Berghütte von Annis Vater flüchtete. Während ihre Sachen trockneten, klopfte Annis Vater an die Tür, sie öffneten ihm nicht, und am folgenden Tage wurde sei ne Leiche aus einem nahen Fluss gefischt, mitgerissen vom über die Ufer getretenen Bergbach. Fünfzehn Jahre später tritt der Wetterfetischist Vittorio, der sich ausschließlich auf Farmachs klimatische Verhältnisse in den verstrichenen fünfzehn Jahren spezialisiert hat, mit Erfolg in der TV-Sendung Wetten, dass… auf, ein Freund fingiert eine Kontaktaufnahme Annis, und Vittorio reist nach Farmach. Kurz vor Annis Hochzeit trifft er ein, wird bei der Besichtigung der alten Hütte verschüttet, um Haaresbreite gerettet und Anni gibt ihm im Spitalbett einen Kuss.
Dialoge schreiben kann Wolf Haas wie kaum ein anderer Autor deutscher Zunge, in den verbalen Windungen, Stockungen, Verdrehungen, kommunikativen Missverständnissen und unterhaltsamen Seitenhieben der Realität perfekt abgehorcht. Zirzensisch leicht hat er diesen Roman über einen Roman konstruiert, einen veritablen Babuschka-Roman. Falltür auf Falltür öffnet sich. Sicherheiten gibt es keine, sondern massierte Volten. Was real ist, und der Roman über Kowalski ist von "Wolf Haas" angeblich ganz eng dem - erfundenen - "Leben" nachgeschrieben worden, und was fiktiv, löst sich im Konversationspingpong nie auf. Kann es auch gar nicht. Wird doch dieser Romanroman in einem Roman beschrieben, in dem über den Roman gesprochen wird. Es ist somit eine endlos eskalierende Meta-Schleifenkonstruktion, ein Jack-in-the-Box-Buch, aus dem dann und wann unerwartet der Springteufel der Erkenntnis herausspringt. Und ausgerechnet diese Bezeichnung "Springteufel" will "Wolf Haas" im Gespräch vetrackterweise nicht einfallen. "Eigentlich gefällt mir das, wenn man als Autor solche Sachen übersieht. Und gerade weil man es vermeiden wollte, taucht es auf. Die kontrollierten Passagen sind sowieso immer die langweiligsten", heißt es an einer Stelle, die wie so viele andere höchst kontrolliert ist.
Parodien und Satiren des Literaturbetriebes waren schon immer eine beliebte literarische Nebenarena. Nur wozu all dieser verbale Aufwand, diese rabulistische Artistik, all die Raffinesse, die Haas aufwendet, wenn am Ende alle Einwände gegen dieses Buch bereits im Buch aufgeführt sind: die blassen Figuren, die mehr als konventionelle Handlung, die in einer Aufdeckung und Aufhebung von Sünden mündet und als rosafarbener Abenteuerkitsch à la Hollywood ausklingt. Kritik neutralisiert hier von vorneherein die Kritik - all diese Ironieschleifen sind, wie die "Literaturbeilage" öfters meint, "too much". Dass man nicht noch mehr aus dem "Roman" von "Wolf Haas" lesen muss, ist schieres Glück. Denn schon die Passagen, die die Literaturkritikerin hie und da vorliest, selbstredend unter Protest von "Wolf Haas", lesen sich altbacken, ja medioker und so schön schlecht, dass es Haas (welchem?) ein springteufelartiges Vergnügen bereitet haben muss, solches zu Papier zu bringen. Man fühlt sich bei der Lektüre dieses Buches wie vor ausgestellten Zuckerbäckerexponaten in einem Zuckerbäckermuseum: alles sehr kunstfertig, fein und intrikat und die Frage hervorkitzelnd "Wie hat der das nur gemacht?". Nur nahrhaft ist es nicht. Wichtig ist es nicht. Und vergessen hat man's schneller, als man denkt. Es ist zu wenig und zu viel. Aber das las man doch - richtig: auf Seite 179:
"Literaturbeilage: Zu wenig und zu viel Wolf Haas: Genau - ist des Narren Ziel. Woher kennen Sie das?
Literaturbeilage: Na, aus Ihrem Buch.
Wolf Haas: Ach so, ich hab geglaubt, das hab ich gestrichen."
And now to something completely different.

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