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Ich bin kein anderer Clay Carmichael. Aus dem Engl. von Birgitt Kollmann

By: Contributor(s): Material type: TextTextPublisher number: Best.-Nr.: 545/24743Language: German Original language: English Publisher: München Hanser 2015Description: 314 S. 22 cmContent type:
  • Text
Media type:
  • ohne Hilfsmittel zu benutzen
Carrier type:
  • Band
Audience:
  • Jugend
ISBN:
  • 9783446247437
  • 3446247432
Contained works:
  • Carmichael, Clay Brother, brother dt
Subject(s): Genre/Form: Additional physical formats: Online-Ausg.: Ich bin kein andererDDC classification:
  • K 23sdnb
Online resources: Review: Quelle: www.rezensionen.at - Sophie Reyer „Bis aufs Haar“, „Atlantia“ und „Ich bin kein anderer“ – drei Bücher, die eines gemeinsam haben: das Zwillingsmotiv, das aber jeweils auf sehr unterschiedliche Art erarbeitet wird. Ein Vergleich von Sophie Reyer. In zwei Welten ist das Szenario in Ally Condies Fantasy-Roman „Atlantia“ geteilt: Rio, aus deren Perspektive erzählt wird, lebt in Atlantis. Ihre geliebte Zwillingsschwester ist „nach oben“, in die Welt über dem Meeresspiegel, ausgewandert. Der Plot des ausufernden Romans besteht im Wesentlichen aus der Auseinandersetzung zwischen oben und unten, Atlantis und Oberwasser, in deren Mittelpunkt die Heldin steht. Intrige und Mord, Freundschaft und Liebe sind die Ingredienzien, mit denen Ally Condie den Text würzt, am Ende kommt es nach heftigen Verwicklungen zur Versöhnung der beiden Welten. Die Botschaft ist einfach und schön: Anderssein darf kein Grund sein, einander nicht zu begegnen. Handelt es sich dabei um Gesellschaftskritik, so ist sie auf eine archetypische und simple Art und Weise thematisiert. Realistischer ist Clay Carmichaels „Ich bin kein anderer“ erzählt. Im Fokus steht der Gegensatz zwischen Arm und Reich, den Machtlosen der sozialen Unterschicht und den Mächtigen an der Spitze der Politik. Als seine Großmutter stirbt, erfährt Billy, von allen liebevoll „Bruder“ genannt, aus der Zeitung, dass er einen Zwillingsbruder hat. Auf dem Weg, seine Geschichte zu finden, verliebt er sich in Kit, die ihn auf seiner Reise begleitet. Auf der Privatinsel des Senators, der Billys Bruder adoptiert hat, kommt es zum Zusammentreffen der ungleichen Zwillinge. Hier „Bruder“ Billy, engagiert, wach und hilfsbereit, dort der drogensüchtige, verwöhnte Gabe. Im Showdown klärt sich die Geschichte der Brüder – und zumindest einer findet damit auch einen Weg in die Zukunft. Auch in „Ich bin kein anderer“ spielt im Übrigen das Meer eine besondere Rolle: Auf der Urne mit der Asche von Billys Großmutter sind Delphine abgebildet, jene Tiere, die für Freiheit, Bewegung und Neubeginn stehen und denen Bruder Billy am Schluss „live“ begegnet. Der Roman orientiert sich zwar am Spannungsgenre, bleibt aber näher am Duktus des klassischen Coming of Age Romans. So werden am Ende auch keine eindeutigen Antworten gegeben, eher Gefühls- und Gesellschaftszustände sprachlich auf den Punkt gebracht. Hier ist kein Ich-Erzähler am Werk, sondern ein auktorialer, der aber nahe an „Bruder“ dran ist, an seiner Wahrnehmung und seinen Gefühlen. In K.A. Harringtons „Bis aufs Haar“ schließlich begegnet uns wieder eine Ich-Erzählerin, Kate, die ihren Freund bei einem Unfall verloren hat. Wenig später entdeckt sie im Netz das Bild eines jungen Mannes, der dem Verunglückten zum Verwechseln ähnlich sieht. Wie Clay Carmichael setzt sich K. A. Harrington in ihrem ersten ins Deutsche übersetzten Roman kritisch mit unserer Gesellschaft auseinander, ist dramaturgisch aber deutlich einfacher gebaut. Neben altbekannten Handlungsumschwüngen bietet der Thriller kaum Überraschungen. Die Täter stehen den Hauptfiguren nahe, klare Indizien weisen den Weg, Verfolgungsszenen dienen als Handlungsverzögerungen, et cetera. Was das Buch zu guter Unterhaltung macht, aber mehr ist es nicht. Ein Motiv, drei literarische Ausformungen: Einmal Fantasy, einmal Coming- of-Age, einmal Thriller. Während „Atlantia“ an manchen Stellen fast lyrisch und insgesamt durchaus spannend gestaltet ist, bleibt „Bis aufs Haar“ sprachlich uninteressant. Am Eigenwilligsten jedenfalls klingt der Erzählton in „Ich bin kein anderer“ (mit Birgit Kollmann ist eine ausgezeichnete Übersetzerin am Werk, die schon Clay Carmichels Debüt „Zoë“ wunderbar ins Deutsche gebracht hat). Durch diesen Ton wird die Innenwelt des jungen Protagonisten erfasst, ohne einen flapsig-coolen Stil imitieren zu wollen oder in phantasievollen Kitsch auszubrechen. Auffällig bleibt insgesamt, dass für alle drei Schreibenden der inhaltliche und thematische Aspekt über der sprachlichen Ebene steht. Die Sprache dient dem Plot und der Aussage, sie schildert die Innenwelt einer Figur, die nicht brüchig wird und stets greifbar bleibt. Das macht diese Romane in gewisser Weise harmlos, angepasst. Sie erinnern an Hollywoodfilme, die weder mit dem Erzählton noch mit der Erzählperspektive brechen, diese jedoch auf so gekonnte Art und Weise durchhalten, dass das handwerkliche Können der Autoren durchaus überzeugt. Spannender fällt die Botschaft aus: In allen drei Büchern geht es zentral auch um Selbstfindung in der Begegnung mit anderen, um die Suche nach einem Spiegel, um einen Platz in der Gesellschaft. Nicht nur die Doppelgänger dienen als eine Art Spiegelung, das wäre zu einfach: Alle drei Figuren verlieben sich zudem. Was auch wichtig ist in Hinblick auf Abgrenzung und Ichfindung. Und die Protagonisten arbeiten sich am gesellschaftlichen Spiegel ab: An Hierarchien, Ideologien, Systemen. In allen drei Büchern kommen sie aus unterschiedlichen Kontexten, leben mit unterschiedlichen finanziellen Mitteln, lernen im Laufe ihres Erwachsenwerdens – das ja immer auch ein Erwachen ist – andere Formen der Existenz kennen. Nicht zuletzt ist die Auseinandersetzung mit der letzten und vorletzten Generation ein wichtiges Sujet: Es geht um Tod, Abschiednehmen, um das Ausloten der Grenzen im familiären Kontext. In „Atlantia“ sterben Mutter und Tante, in „Ich bin kein anderer“ die geliebte Großmutter und in „Bis aufs Haar“ sogar die erste große Liebe. Letzten Endes begreifen alle drei Protagonisten auch aufgrund dieser Verluste, dass das Leben kostbar ist, und dass sie die werden müssen, die sie sind. Neue Literatur, alte Botschaft, immer noch brauchbar für junge LeserInnen.
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Item type Current library Collection Call number Status Date due Barcode
Bücher Bücher Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB Jugendliteratur JE CAR (Browse shelf(Opens below)) Available 10126011

Quelle: www.rezensionen.at - Sophie Reyer

„Bis aufs Haar“, „Atlantia“ und „Ich bin kein anderer“ – drei Bücher, die eines gemeinsam haben: das Zwillingsmotiv, das aber jeweils auf sehr unterschiedliche Art erarbeitet wird. Ein Vergleich von Sophie Reyer.
In zwei Welten ist das Szenario in Ally Condies Fantasy-Roman „Atlantia“ geteilt: Rio, aus deren Perspektive erzählt wird, lebt in Atlantis. Ihre geliebte Zwillingsschwester ist „nach oben“, in die Welt über dem Meeresspiegel, ausgewandert. Der Plot des ausufernden Romans besteht im Wesentlichen aus der Auseinandersetzung zwischen oben und unten, Atlantis und Oberwasser, in deren Mittelpunkt die Heldin steht. Intrige und Mord, Freundschaft und Liebe sind die Ingredienzien, mit denen Ally Condie den Text würzt, am Ende kommt es nach heftigen Verwicklungen zur Versöhnung der beiden Welten. Die Botschaft ist einfach und schön: Anderssein darf kein Grund sein, einander nicht zu begegnen. Handelt es sich dabei um Gesellschaftskritik, so ist sie auf eine archetypische und simple Art und Weise thematisiert.
Realistischer ist Clay Carmichaels „Ich bin kein anderer“ erzählt. Im Fokus steht der Gegensatz zwischen Arm und Reich, den Machtlosen der sozialen Unterschicht und den Mächtigen an der Spitze der Politik. Als seine Großmutter stirbt, erfährt Billy, von allen liebevoll „Bruder“ genannt, aus der Zeitung, dass er einen Zwillingsbruder hat. Auf dem Weg, seine Geschichte zu finden, verliebt er sich in Kit, die ihn auf seiner Reise begleitet. Auf der Privatinsel des Senators, der Billys Bruder adoptiert hat, kommt es zum Zusammentreffen der ungleichen Zwillinge. Hier „Bruder“ Billy, engagiert, wach und hilfsbereit, dort der drogensüchtige, verwöhnte Gabe. Im Showdown klärt sich die Geschichte der Brüder – und zumindest einer findet damit auch einen Weg in die Zukunft.
Auch in „Ich bin kein anderer“ spielt im Übrigen das Meer eine besondere Rolle: Auf der Urne mit der Asche von Billys Großmutter sind Delphine abgebildet, jene Tiere, die für Freiheit, Bewegung und Neubeginn stehen und denen Bruder Billy am Schluss „live“ begegnet. Der Roman orientiert sich zwar am Spannungsgenre, bleibt aber näher am Duktus des klassischen Coming of Age Romans. So werden am Ende auch keine eindeutigen Antworten gegeben, eher Gefühls- und Gesellschaftszustände sprachlich auf den Punkt gebracht. Hier ist kein Ich-Erzähler am Werk, sondern ein auktorialer, der aber nahe an „Bruder“ dran ist, an seiner Wahrnehmung und seinen Gefühlen.
In K.A. Harringtons „Bis aufs Haar“ schließlich begegnet uns wieder eine Ich-Erzählerin, Kate, die ihren Freund bei einem Unfall verloren hat. Wenig später entdeckt sie im Netz das Bild eines jungen Mannes, der dem Verunglückten zum Verwechseln ähnlich sieht. Wie Clay Carmichael setzt sich K. A. Harrington in ihrem ersten ins Deutsche übersetzten Roman kritisch mit unserer Gesellschaft auseinander, ist dramaturgisch aber deutlich einfacher gebaut. Neben altbekannten Handlungsumschwüngen bietet der Thriller kaum Überraschungen. Die Täter stehen den Hauptfiguren nahe, klare Indizien weisen den Weg, Verfolgungsszenen dienen als Handlungsverzögerungen, et cetera. Was das Buch zu guter Unterhaltung macht, aber mehr ist es nicht.
Ein Motiv, drei literarische Ausformungen: Einmal Fantasy, einmal Coming- of-Age, einmal Thriller. Während „Atlantia“ an manchen Stellen fast lyrisch und insgesamt durchaus spannend gestaltet ist, bleibt „Bis aufs Haar“ sprachlich uninteressant. Am Eigenwilligsten jedenfalls klingt der Erzählton in „Ich bin kein anderer“ (mit Birgit Kollmann ist eine ausgezeichnete Übersetzerin am Werk, die schon Clay Carmichels Debüt „Zoë“ wunderbar ins Deutsche gebracht hat). Durch diesen Ton wird die Innenwelt des jungen Protagonisten erfasst, ohne einen flapsig-coolen Stil imitieren zu wollen oder in phantasievollen Kitsch auszubrechen.
Auffällig bleibt insgesamt, dass für alle drei Schreibenden der inhaltliche und thematische Aspekt über der sprachlichen Ebene steht. Die Sprache dient dem Plot und der Aussage, sie schildert die Innenwelt einer Figur, die nicht brüchig wird und stets greifbar bleibt. Das macht diese Romane in gewisser Weise harmlos, angepasst. Sie erinnern an Hollywoodfilme, die weder mit dem Erzählton noch mit der Erzählperspektive brechen, diese jedoch auf so gekonnte Art und Weise durchhalten, dass das handwerkliche Können der Autoren durchaus überzeugt.
Spannender fällt die Botschaft aus: In allen drei Büchern geht es zentral auch um Selbstfindung in der Begegnung mit anderen, um die Suche nach einem Spiegel, um einen Platz in der Gesellschaft. Nicht nur die Doppelgänger dienen als eine Art Spiegelung, das wäre zu einfach: Alle drei Figuren verlieben sich zudem. Was auch wichtig ist in Hinblick auf Abgrenzung und Ichfindung. Und die Protagonisten arbeiten sich am gesellschaftlichen Spiegel ab: An Hierarchien, Ideologien, Systemen. In allen drei Büchern kommen sie aus unterschiedlichen Kontexten, leben mit unterschiedlichen finanziellen Mitteln, lernen im Laufe ihres Erwachsenwerdens – das ja immer auch ein Erwachen ist – andere Formen der Existenz kennen.
Nicht zuletzt ist die Auseinandersetzung mit der letzten und vorletzten Generation ein wichtiges Sujet: Es geht um Tod, Abschiednehmen, um das Ausloten der Grenzen im familiären Kontext. In „Atlantia“ sterben Mutter und Tante, in „Ich bin kein anderer“ die geliebte Großmutter und in „Bis aufs Haar“ sogar die erste große Liebe. Letzten Endes begreifen alle drei Protagonisten auch aufgrund dieser Verluste, dass das Leben kostbar ist, und dass sie die werden müssen, die sie sind. Neue Literatur, alte Botschaft, immer noch brauchbar für junge LeserInnen.

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