Mit dem Rücken zur Welt Titos erben zwischen Hoffnung und Verzweiflung Asne Seierstad. Dt. von Edelgard Rora und Ekkehard Boesche

Quelle: www.rezensionen.at - Heinz Steuer

Menschen- und Stimmungsbilder aus Serbien der endenden und beendeten Milosevic-Ära. (GE)

Die Autoin, eine relativ junge norwegische Journalistin, war von 1998 bis 2000 als Reporterin auf "dem Balkan", vornehmlich in Serbien. Ihr erklärtes Ziel war, die Lebensbedingungen, die Lebenseinstellung, das Denken und Fühlen der Menschen in der Zeit nach dem Kosovo-Konflikt bis zur Etablierung des neuen Regimes aufzuzeigen; ein Vorhaben, das man sehr ausdrücklich als gelungen bezeichnen kann. Sie suchte, oft über lange Zeit, Kontakt und Umgang mit einzelnen Personen, ganzen Familien - nicht selten entstanden freundschaftliche Bindungen - deren Geschick, in 14 Kapiteln niedergeschrieben, tatsächlich viel von der "Situation" in Serbien erschließen lassen: Lebens-, Überlebenskunst, Amerika und NATO, Milosevic, die Teilung Jugoslawiens, Zukunftschancen. Ihre Bezugspersonen decken ein weites Feld ab, vom Bauern im Kosovo bis zum derzeitigen Innenminister, der Schwarzmarkthändler, der junge Priester, der einfache Bürger, die Frau eines in Den Haag Verurteilten. Als Reportagen gebracht, bleibt die Autorin im Ausdruck eher verhalten, und auch bei erkennbarer persönlicher Nähe ist ihre eigene Position eine katalytische, auf den Gewinn von Information angelegte. Gerade weil sie sich der Wertung enthält, wirken ihre Darstellung sehr unmittelbar. Das ergibt dann ein sehr eindrucksstarkes und packendes, vor allem aber informatives Buch.