Amazon cover image
Image from Amazon.com

Paradiesische Aussichten Fai͏̈za Guène. Aus dem Franz. von Anja Nattefort

By: Material type: TextTextLanguage: German Original language: French Publisher: Hamburg Carlsen 2006Edition: Dt. ErstausgDescription: 140 S. 22 cmContent type:
  • Text
Media type:
  • ohne Hilfsmittel zu benutzen
Carrier type:
  • Band
Audience:
  • Jugend
ISBN:
  • 9783551581549
  • 3551581541
Contained works:
  • Guène, Fai͏̈za 1985- Kiffe kiffe demain dt
Subject(s): Genre/Form: DDC classification:
  • K 22sdnb
Review: Quelle: www.rezensionen.at - Integration Meine Mutter sagt, mein Vater hat uns verlassen, weil es so geschrieben stand. Bei uns heißt das Mektoub. Das ist so was wie das Drehbuch eines Films, in dem wir mitspielen. Das Problem ist nur, dass unser Drehbuchautor nichts taugt. Das Leben der 15jährigen, marokkanischstämmigen Doria fühlt sich manchmal an, als hätte Allah drauf gespuckt. Doch Tristesse lässt Doria nicht zu. Mit Wortwitz und Assoziationsreichtum schildert sie ihr Leben in einer der Pariser Vorstädte und charakterisiert jene, die daran beteiligt sind - allen voran die Mutter und deren Versuch Selbständigkeit zu erlangen, Hamoudi, der mit dem Akzent eines Vorstadtrowdies Rimbaud zitiert, und Nabil, der ihr den ersten Kuss raubt. Angebunden an ein dichtes Netz medialer Anleihen fasziniert ihr Erzählstil dabei durch das gleichwertige Miteinander von Ernsthaftem und Ironisierendem. *STUBE* Mektoub. Das ist so was wie das Drehbuch eines Films, in dem wir mitspielen. Das Problem ist nur, dass unser Drehbuchautor nichts taugt. Das Schicksal mag Doria nicht eben auf die Sonnenseite des Lebens verpflanzt haben, doch die Art, wie Doria von diesem Leben erzählt, lässt Tristesse erst gar nicht aufkommen: Doria stammt aus Marokko und lebt mit ihrer Mutter in der Cité du Paradis, einem der Pariser Banlieues - einem Ort also, auf den der Blick der Öffentlichkeit nur unter den Vorzeichen des Ausnahmezustandes fällt. Ihre Aussichten mögen nicht eben paradiesisch sein und ihre Bildungschancen liegen im Argen der sozialen Selektion. Doch Doria verfügt über ein (möglicherweise wegweisendes) Talent: Sprachwitz und Beobachtungsgabe. Mit feinem Gespür beschreibt sie die Menschen, denen sie täglich begegnet: Hamoudi, der mit den Gesten und dem Akzent eines Vorstadtrowdies Gedichte von Arthur Rimbaud zitiert; die Sozialarbeiterin, die wie Barbie persönlich auftritt und es doch schafft, Dorias Mutter zu einem Alphabetisierungskurs zu überreden; die Mutter, die gekonnt mit dem Inschallah-Joker operiert und nach Jahren in Paris endlich den Eifelturm zu sehen bekommt; Samra, die von ihren Brüdern wie eine Gefangene gehalten wird und eines Tages abhaut; und Nabil, die Null, der von seiner Mutter für den Einstein der Pariser Bronx gehalten wird und Doria ihren ersten Kuss raubt. Assoziativ und sprachlich bestimmt durch eine Vielzahl medialer Anleihen schafft Doria es, dem Ernst des Alltags dessen ironisches Moment abzuringen. Ab 12 Jahren -Lektorix- Schlechte Zukunftsaussichten: Das waren im vergangenen Jahr die Hauptgründe für die anhaltenden und verheerenden Ausschreitungen in den Pariser Vororten. Die Bilder davon sind bis in unsere Wohnzimmer gelangt, manche recherchierten Schicksale bis in unsere Köpfe. Und noch viel näher wollen wir das alles auch nicht mehr lassen. Jetzt, wo die Banlieues und ihre sozialen Brennpunkte ohnehin wieder aus den Schlagzeilen sind. #Was Faïza Guène zu erzählen hat, hört sich auch ganz anders an: Paradiesische Aussichten – wie der Titel vorgibt - hat ihre Heldin als Bewohnerin des „Paradis du Cité“ genannten Vorortes von Paris auch nicht gerade. Die 15-jährige Doria vermag allerdings mit sehr viel Wortwitz über ihre Umgebung zu erzählen, über die Eigenheiten der BewohnerInnen, deren kleine Glücksmomente und Verfehlungen. Nach der Lektüre dieser pubertär-coolen, völlig ohne Selbstmitleid geschriebenen Ich-Erzählung hat der Begriff „Migranten-Hintergrund“ eine unerwartet neue Färbung, klingt anders als jeder politisch korrekt formulierte Zeitungsbericht oder der das Fremde ins Auge fassende Sozialbericht. Dorias Alltag ist geprägt von einer patriarchal muslimischen Gesellschaft und den Konsequenzen, die sich für sie und ihre allein erziehende und analphabetische Mutter daraus ergeben. Dorias Weltsicht hingegen ist geprägt von Werbung und Fernsehen, ihre Vorbilder sind Serienhelden, ihre Sehnsüchte passen zur Zahnpasta-Werbung. Ironie und Witz entstehen in der Kluft zwischen diesen beschriebenen Welten, die Bilder über Armut und soziale Not sind ohne Wehleidigkeit aber mit Gespür für damit verbundene Verletzlichkeiten gezeichnet. Medial entlehnte Leichtigkeit ergeben gemeinsam mit der Ernsthaftigkeit des Dargestellten ein sehr modernes, literarisch überzeugendes Porträt einer jungen Frau auf der Suche nach ihrem eigenen Weg. *STUBE* Inge Cevela
Star ratings
    Average rating: 0.0 (0 votes)
Holdings
Item type Current library Collection Call number Status Date due Barcode
Bücher Bücher Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB Jugendliteratur JE GUE (Browse shelf(Opens below)) Available 10054963

Quelle: www.rezensionen.at - Integration

Meine Mutter sagt, mein Vater hat uns verlassen, weil es so geschrieben stand. Bei uns heißt das Mektoub. Das ist so was wie das Drehbuch eines Films, in dem wir mitspielen. Das Problem ist nur, dass unser Drehbuchautor nichts taugt. Das Leben der 15jährigen, marokkanischstämmigen Doria fühlt sich manchmal an, als hätte Allah drauf gespuckt. Doch Tristesse lässt Doria nicht zu. Mit Wortwitz und Assoziationsreichtum schildert sie ihr Leben in einer der Pariser Vorstädte und charakterisiert jene, die daran beteiligt sind - allen voran die Mutter und deren Versuch Selbständigkeit zu erlangen, Hamoudi, der mit dem Akzent eines Vorstadtrowdies Rimbaud zitiert, und Nabil, der ihr den ersten Kuss raubt. Angebunden an ein dichtes Netz medialer Anleihen fasziniert ihr Erzählstil dabei durch das gleichwertige Miteinander von Ernsthaftem und Ironisierendem.
*STUBE*

Mektoub. Das ist so was wie das Drehbuch eines Films, in dem wir mitspielen. Das Problem ist nur, dass unser Drehbuchautor nichts taugt. Das Schicksal mag Doria nicht eben auf die Sonnenseite des Lebens verpflanzt haben, doch die Art, wie Doria von diesem Leben erzählt, lässt Tristesse erst gar nicht aufkommen: Doria stammt aus Marokko und lebt mit ihrer Mutter in der Cité du Paradis, einem der Pariser Banlieues - einem Ort also, auf den der Blick der Öffentlichkeit nur unter den Vorzeichen des Ausnahmezustandes fällt. Ihre Aussichten mögen nicht eben paradiesisch sein und ihre Bildungschancen liegen im Argen der sozialen Selektion.
Doch Doria verfügt über ein (möglicherweise wegweisendes) Talent: Sprachwitz und Beobachtungsgabe. Mit feinem Gespür beschreibt sie die Menschen, denen sie täglich begegnet: Hamoudi, der mit den Gesten und dem Akzent eines Vorstadtrowdies Gedichte von Arthur Rimbaud zitiert; die Sozialarbeiterin, die wie Barbie persönlich auftritt und es doch schafft, Dorias Mutter zu einem Alphabetisierungskurs zu überreden; die Mutter, die gekonnt mit dem Inschallah-Joker operiert und nach Jahren in Paris endlich den Eifelturm zu sehen bekommt; Samra, die von ihren Brüdern wie eine Gefangene gehalten wird und eines Tages abhaut; und Nabil, die Null, der von seiner Mutter für den Einstein der Pariser Bronx gehalten wird und Doria ihren ersten Kuss raubt. Assoziativ und sprachlich bestimmt durch eine Vielzahl medialer Anleihen schafft Doria es, dem Ernst des Alltags dessen ironisches Moment abzuringen. Ab 12 Jahren

-Lektorix-
Schlechte Zukunftsaussichten: Das waren im vergangenen Jahr die Hauptgründe für die anhaltenden und verheerenden Ausschreitungen in den Pariser Vororten. Die Bilder davon sind bis in unsere Wohnzimmer gelangt, manche recherchierten Schicksale bis in unsere Köpfe. Und noch viel näher wollen wir das alles auch nicht mehr lassen. Jetzt, wo die Banlieues und ihre sozialen Brennpunkte ohnehin wieder aus den Schlagzeilen sind.
#Was Faïza Guène zu erzählen hat, hört sich auch ganz anders an: Paradiesische Aussichten – wie der Titel vorgibt - hat ihre Heldin als Bewohnerin des „Paradis du Cité“ genannten Vorortes von Paris auch nicht gerade. Die 15-jährige Doria vermag allerdings mit sehr viel Wortwitz über ihre Umgebung zu erzählen, über die Eigenheiten der BewohnerInnen, deren kleine Glücksmomente und Verfehlungen. Nach der Lektüre dieser pubertär-coolen, völlig ohne Selbstmitleid geschriebenen Ich-Erzählung hat der Begriff „Migranten-Hintergrund“ eine unerwartet neue Färbung, klingt anders als jeder politisch korrekt formulierte Zeitungsbericht oder der das Fremde ins Auge fassende Sozialbericht. Dorias Alltag ist geprägt von einer patriarchal muslimischen Gesellschaft und den Konsequenzen, die sich für sie und ihre allein erziehende und analphabetische Mutter daraus ergeben. Dorias Weltsicht hingegen ist geprägt von Werbung und Fernsehen, ihre Vorbilder sind Serienhelden, ihre Sehnsüchte passen zur Zahnpasta-Werbung. Ironie und Witz entstehen in der Kluft zwischen diesen beschriebenen Welten, die Bilder über Armut und soziale Not sind ohne Wehleidigkeit aber mit Gespür für damit verbundene Verletzlichkeiten gezeichnet. Medial entlehnte Leichtigkeit ergeben gemeinsam mit der Ernsthaftigkeit des Dargestellten ein sehr modernes, literarisch überzeugendes Porträt einer jungen Frau auf der Suche nach ihrem eigenen Weg.
*STUBE* Inge Cevela

There are no comments on this title.

to post a comment.