Mehr als das Roman Patrick Ness. Aus dem Engl. von Bettina Abarbarnell
Material type:
- Text
- ohne Hilfsmittel zu benutzen
- Band
- 9783570162736
- 3570162737
- Ness, Patrick 1971- More than this dt
- Thriller
- Mystery
- Schuld
- Schuldbewältigung
- (Produktform)Hardback
- (Lesealter)ab 14 Jahre bis 99 Jahre
- (Produktform (spezifisch))With dust jacket
- Patrick Ness, Afterlife, Deutscher Jugendliteraturpreis, Jugendbuch, Bestsellerautor, John Green, Sieben Minuten nach Mitternacht, Markus Zusak, Jay Asher
- (VLB-WN)1250: Hardcover, Softcover / Kinder- und Jugendbücher/Kinderbücher bis 11 Jahre
- (BISAC Subject Heading)JUV000000
- (Produktgruppe)7224: cbt HC Jugendbuch
- K 23sdnb
Item type | Current library | Collection | Call number | Status | Barcode | |
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Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB | Jugendliteratur | JE.S NES (Browse shelf(Opens below)) | Available | 10119587 |
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Quelle: www.rezensionen.at -
Das Sterben des Protagonisten an den Beginn zu stellen ist radikalste Tabula rasa – und doch erst der Anfang. Seth ertrinkt vor der amerikanischen Küste, und diesem Prolog folgt ein Erwachen: Plötzlich findet sich der 16-Jährige in seiner ehemaligen Heimatstadt in England wieder. Durstig, nackt, allein – in einer apokalyptischen Welt. Seth glaubt sich tot und hält die Isolation dieser devastierten Welt für seine persönliche Hölle. Erst nach und nach schieben sich Seths Erinnerungen ein und erklären seinen Tod. Der an den Genregrenzen operierende Roman thematisiert eine detaillierte Aufarbeitung von Schuld. Als Seth einen Feind ebenso wie Verbündete ausmachen kann, stellt sich heraus, dass „Hölle“ nur eine Möglichkeit ist, diesen Ort zu benennen …
*STUBE*
„Hier ist der Junge. Er ertrinkt.“ Das Sterben des Protagonisten an den Beginn eines Jugendromans zu stellen ist radikalste Tabula rasa – und doch erst der der Anfang. Denn dem Prolog folgt ein Erwachen: Seth ist nach seinem Tod plötzlich allein in einer unbekannten, verwahrlosten Welt, irrt in den Resten von Zivilisation und wähnt sich in einer Hölle. Durstig, nackt, allein. Patrick Ness spielt in der Beschreibung mit den (religions- und kunstgeschichtlichen) Assoziationen und Konnotationen an jenen finsteren Ort und auch Seth gleicht seine Ideen vom Jenseits mit den Tatsachen ab, mit denen er nun tatsächlich konfrontiert ist: Es ist nicht die Hölle, in der sich Seth scheinbar befindet, es ist „seine eigene, persönliche Hölle“, und dementsprechend erkennt er langsam, wie vertraut ihm seine Umgebung eigentlich ist: Er befindet sich in seinem früheren Zuhause, lange bevor das mit seinem jüngeren Bruder passiert ist. Was damals geschah und wie das Ereignis Seths Welt wörtlich und gänzlich aus den Fugen gebracht hat, ist eins der zentralen Geheimnisse des spannenden Romans. Eine Lösung scheint lange Zeit fern, wir begleiten den Jugendlichen bei seiner Aneignung dieser menschenfeindlichen Welt, bei der Suche nach Kleidung, Nahrung und Zuflucht, die Patrick Ness parallel zur unfreiwilligen Aufarbeitung von Seths Biographie führt. Erinnerungen an die Zeit davor drängen sich immer wieder fast physisch auf und sind als kursiv gesetzte Textpassagen eingeschoben. Langsam erfahren die Lesenden daraus von den komplexen Geschehnissen, die zu Seths Tod geführt haben. Sie erzählen nicht nur von seiner Familie, sondern auch von einer Liebesgeschichte, kontrastierend zum Gefühl, alleine auf der Welt respektive in der Hölle zu sein. Beide Erzählzeiten sind im Präsens wiedergegeben – beides ist damit gleichermaßen gegenwärtig und verweist auf die Zeitlosigkeit, die (nicht nur im Christentum) dem Jenseits eingeschrieben ist. Die psychoanalytischen Versatzstücke wie Verdrängung und Erinnerung, Verschiebung und Verleugnung verdichten sich in einem nicht nur symbolisch aufgeladenen, sondern konkret als Schlüsselort genutzten Raum: Ein Gefängnis (in der Kulturgeschichte oft genutzte Metapher für die Hölle) befindet sich in Seths Umgebung und ist in beiden Welten – Seths damaliges Zuhause und nun Hölle – von elementarer Bedeutung … Patrick Ness gliedert seinen Roman in vier Teile und folgt mit dem Abschluss jedes Teils auch der psychischen Entwicklung von Seth – gekoppelt an seinen Erinnerungsprozess, was damals tatsächlich geschah. Repetitiv kehrt der Text an den Bruchstellen zwischen diesen Teilen immer wieder zu Seths Tod zurück, ordnet ihn neu ein und erprobt idente Passagen in einem anderen Tempus. Der Glaube, in der Hölle zu sein, bricht ausgerechnet dann, als Seth im zweiten Teil auf der Reise zum Gefängnis zwei andere Jugendliche findet – oder eher sie ihn, als er von einem monströsen Wesen angegriffen wird. „Es gibt noch jemanden in der Hölle.“ Die Funktion und Rolle seines Feindes, aber auch seiner neuen Freunde, Regine und Tomasz, die wie er plötzlich in dieser Welt erwacht sind, sind rätselhaft. In der Reflexion der Jugendlichen bietet Patrick Ness mehrere Lösungen dafür an. Auch, was die Bezeichnung des Ortes betrifft. „Hölle“, so stellt sich heraus, ist nur ein Narrativ, das dieses fremde Umfeld zu beschreiben versucht. Damit wendet sich die Ausrichtung des Romans: Von einem dogmatischen Diskurs und möglichen Verbildlichung des Jenseits im ersten Teil, fokussiert der Roman in der zweiten Hälfte auf actionreiches survival und andere (theologische) Fragestellungen: Schuld und Sühne einerseits, die Frage nach Körper, Leib und Seele andererseits. Denn ohne zu viel verraten zu wollen: Seth, Regine und Tomasz sind nicht mit ihrer je eigenen Hölle konfrontiert, sondern mit der Folge einer Entwicklung, die das Leben aller Menschen weitgreifend beeinflusst hat. Eine Entwicklung mit der die zutiefst unchristliche Trennung von Körper und Seele einhergeht und den Text – sogar auf zwei Ebenen – in die Tradition der Future Fiction stellt. So wird letztlich der versehrte Leib zum zentralen Motiv des nachdenklich stimmenden Jugendromans, aber auch das Heil-werden desselbigen. Erlösung ist in Seths Vergangenheit, aber auch Zukunft das in Beziehung Treten: Nicht nur zu anderen Menschen, sondern auch zu seiner wahren Vergangenheit. Ob und wie die Jugendlichen dies vollziehen, lässt Patrick Ness bis über das Ende hinaus im Dunkeln. Und bietet damit Anstoß zur Diskussion.
Religion im Kinderbuch
*STUBE* Christina Ulm
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