Tod durch Ertrinken Erzählungen T. Coraghessan Boyle. Dt. von Anette Grube

Lizenz des Hanser-Verl., München, Wien

Quelle: www.rezensionen.at - Wolfgang Schörkhuber

Erzählungen am Rande des Abgrunds und darüber hinaus.

"Ich lebte mit einer Frau zusammen, die plötzlich zu stinken anfing." So beginnt Boyles erste Erzählung in seinem 1979 auf Englisch erschienenen ersten Erzählband. Wenn dann noch kurze, schwarze, borstige Haare den Mann enervieren, und wir ein paar Seiten später erfahren, daß sich die Frau einen Schimpansen aus dem Primatenzentrum angelacht hat (den Vollzug des Geschlechtsaktes verhindern Neugier und Eifersucht des Mannes in letzter Sekunde), dann wissen wir, daß wir in Boyles grotesker Welt sind. Deutlich ist den 17 frühen Erzählungen des amerikanischen Autors die Lust an der Verzerrung anzumerken. Deshalb tritt hier die Gesellschaftssatire noch nicht so fein zu Tage wie in Boyles späteren Erzählungen und Romanen, mit denen er auch hierzulande beträchtliche Aufmerksamkeit erlangt hat. Den feinen Schliff spitzer Ironie ersetzt hier eine handfeste Respektlosigkeit. Big Daddy Idi Amin bei der Eröffnung einer Dadaismus-Ausstellung; Mao als Lieferant revolutionärer Slogans: Solche Einfälle bieten Boyle jede Gelegenheit, vom schmalen Grat zwischen Wahrscheinlichkeit und Absurdität seine Breitseiten abzufeuern. Auch die sentimentalitätsträchtige Fernseh-Starhündin Lassie bedenkt er mit seiner bissigen Aufmerksamkeit. Wenn auch sein bevorzugtes Mittel, die menschliche Existenz auf ihre Tauglichkeit zu prüfen, der Tod ist, so ist er doch kein Berserker. Die scheinbar kühl und sachlich gehaltene Titelerzählung etwa versteht es auf subtile Weise zu berühren. Denn Boyle ist auch ein exakter Beobachter mit der untrüglichen Gabe, mit wenigen Strichen zum Essentiellen einer Figur vorzustoßen.