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˜Dasœ bin doch ich Roman Thomas Glavinic

By: Material type: TextTextLanguage: German Publisher: München Hanser 2007Description: 237 S. 21 cmContent type:
  • Text
Media type:
  • ohne Hilfsmittel zu benutzen
Carrier type:
  • Band
ISBN:
  • 9783446209121
  • 3446209123
Subject(s): Genre/Form: Additional physical formats: Online-Ausg.: ˜Dasœ bin doch ichDDC classification:
  • 830 B 22sdnb
Review: Quelle: www.rezensionen.at - Rainer Moritz Der Teufel ist überall Thomas Glavinic behauptet "Das bin doch ich" Zu den Leisetretern des Literaturbetriebs zählt der Grazer Thomas Glavinic gewiss nicht. Obschon erst Mitte dreißig, blickt er bereits auf ein nicht kleines Werk zurück, darunter die viel gelobten Bücher "Der Kameramörder" und "Die Arbeit der Nacht". Als Glavinic 2006 den zuletzt genannten Roman veröffentlichte, gab es nicht wenige, die darin einen Kandidaten zumindest für die Longlist des Deutschen Buchpreises sahen. Es kam anders, und genau davon handelt Glavinic' neuestes Buch "Das bin doch ich", das - an dieser Zuweisung sind Zweifel erlaubt - die Gattungsbezeichnung "Roman" trägt. Denn auf den ersten, vielleicht sogar auf den zweiten Blick geht es um den Autor selbst. Sein Protagonist heißt wie er und hat, zu Anfang, soeben einen umfangreichen Roman fertiggestellt, der den Titel "Die Arbeit der Nacht" trägt. Etwa ein Jahr lang nehmen wir Anteil an den Irrungen und Wirrungen dieses Schriftstellers, verfolgen, wie es seiner Agentin gelingt, den renommierten Hanser Verlag dafür zu interessieren, wie die Verlagsvorschau erscheint und wie der selbstbewusste Autor darauf spekuliert, zumindest ins Vorzimmer des Deutschen Buchpreises vorgelassen zu werden. Die Mühe fiktionaler Verschlüsselung scheint sich Thomas Glavinic nicht gemacht zu haben; mit unverstellter Deutlichkeit treten (semi)bekannte Figuren des bundesdeutschen und österreichischen Literaturbetriebs auf, agieren Meinungsbildner wie Denis Scheck, Klaus Nüchtern und Elmar Krekeler oder Verleger wie Michael Krüger und Günter Berg. Juristische Rücksichten - es wäre wohl ein Leichtes, gegen Glavinic' Roman mit einstweiligen Verfügungen vorzugehen - werden keine genommen. Der Autor und sein Held geben ungeschminkt wieder, welche Erniedrigungen zu ertragen sind, wenn man sich literarisch an die Öffentlichkeit wagt. Die Pointe der Glavinic'schen Suada besteht darin, dass hier monatelang auf eine Preisnominierung gehofft wird und sich, fast am Ende des Buches, genau jene Shortlist 2006 findet, die (ungerechtfertigterweise, das sei angemerkt) zwar 21 Titel verzeichnet, "Die Arbeit der Nacht" jedoch nicht. All das Hoffen und Ringen verpufft im Leeren, und wieder einmal sieht sich der Autor als Romanfigur in seiner Auffassung von der Schlechtigkeit der Welt bestätigt. Geklagt und lamentiert wird ohnehin viel in diesem Buch, vermengt mit gehörigen Portionen Hypochondrie und Selbstgeißelung. Glavinic' Ich leidet letztlich unter allem, was die Welt ihm zuträgt. Mal fürchtet er Hodenkrebs, mal innere Verletzungen, mal bangt er um sein spärliches Haupthaar, mal sieht er sich von Rechtsradikalen, mal von einer Ex-Freundin verfolgt, mal nehmen ihn Kfz-Mechaniker nicht ernst, mal ziehen grauenvolle Nudeldüfte durchs Zugabteil, und mal gerät er in die Fänge einer ahnungslosen Filmjury. Thomas Glavinic' erzählerischer Kniff besteht darin, sein Alter Ego zu einer jämmerlichen, wehleidigen und jähzornigen Künstlerfigur zu stilisieren, die ihr Heil in übermäßigem Alkoholkonsum sucht und nächtens wütende Mailattacken in den Kosmos schickt. "Offenbar wirke ich zeitlos abschreckend", erkennt das Ekelpaket, das gleichzeitig von der Größe seines eigenen Tuns überzeugt ist: "Denn wer meine Bücher ablehnt, ist des Teufels." Wie es ist, erfolgreich zu sein, das studiert das Ich an seinem Freund, dem Kollegen Daniel Kehlmann, der per Anruf oder SMS - ein "running gag" - die nach oben katapultierenden Verkaufszahlen seines Romans "Die Vermessung der Welt" mitteilt, oder am Fußballidol Herbert Prohaska, mit dem zu Mittag gespeist wird. So sehr "Das bin doch ich" von den Usancen des Literaturbetriebs handelt und so sehr sich Literaturkritiker in ersten Rezensionen darüber freuten, hier sich und ihr Metier wiederzuerkennen, so verfehlt wäre es, das Buch als bloßen Schlüssel- oder Betriebsroman zu lesen. Wer genauer hinsieht, merkt, wie die Ohnmachtsschübe des Helden mit Gewaltfantasien einhergehen, die man aus Glavinic' früheren Büchern kennt. Mühsam nur gelingt es ihm, sich vor dem PC, im Taxi oder auf dem Kinderspielplatz zu zähmen. Es brodelt an allen Ecken und Enden, und Kleinigkeiten genügen, um Gewaltausbrüche zu provozieren. Zudem bedroht Langeweile den Alltag des Helden, einen Zustand, den auch Frau und Kind - merkwürdig blasse Figuren übrigens - nicht beheben können. In der Darstellung dieser Langeweile, die blitzartig in Kontrollverlust umschlagen kann, liegt die Tiefenschicht des Romans: Ein Schriftsteller, der hoch hinaus will, fühlt sich Tag für Tag am Rande des Abgrundes. Ob er sich die Gefahren einbildet oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Geschickt versteht es Glavinic, dieses Lamento nicht überborden zu lassen und seinem Text eine oft sehr komische Note zu geben. Die Sesselliftfahrt mit dem Schwiegervater, die Begegnung mit einem amerikanischen Großautor, der vielleicht Jonathan Franzen heißt, Familienfeiern, bei denen sich der Held Fragen nach seinem mäßigem Erfolg gefallen lassen muss - das sind Glanzlichter eines autobiografischen Werkes, das in seinem Übertreibungsgestus das Autobiografische nach und nach beiseite schiebt. Vor diesem Hintergrund macht es sich "Das bin doch ich" vielleicht zu leicht. Die Konstruktion eines unflätigen, sich selbst erniedrigenden Ichs sorgt über weite Strecken für eine Eindimensionalität, die zwar ihre witzigen Seiten hat, bald jedoch kaum Überraschendes birgt. So wundert es nicht, dass man über das Künstlertum dieses Schriftstellers, über seinen Impetus herzlich wenig erfährt. Warum er Romane schreibt und was "Die Arbeit der Nacht" für ihn bedeutet, bleibt im Nebulösen. Nur an wenigen Stellen verlässt das Ich seinen selbst gezimmerten Sandkasten und gibt zu erkennen, welche Sehnsüchte es antreiben - etwa als er sich Denis Johnsons Buch "Train Dreams" kauft und, von der Lektüre begeistert, plötzlich innehält: "Ich habe mir Gedanken gekauft, die Chance, mehr zu werden." Zu selten riskieren es Glavinic & Co., aus den Bahnen ihrer (Selbst-)Anklageschrift auszubrechen, und deshalb wirkt "Das bin doch ich" wie ein Intermezzo innerhalb eines viel versprechenden Œuvres, nicht wie ein Hauptwerk. Die Ironie des Bücherschicksals freilich wollte es, dass es Glavinic mit "Das bin doch ich" auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2007 gelangte…
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Bücher Bücher Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB Belletristik DR GLA (Browse shelf(Opens below)) Available 10115169

Quelle: www.rezensionen.at - Rainer Moritz

Der Teufel ist überall
Thomas Glavinic behauptet "Das bin doch ich"
Zu den Leisetretern des Literaturbetriebs zählt der Grazer Thomas Glavinic gewiss nicht. Obschon erst Mitte dreißig, blickt er bereits auf ein nicht kleines Werk zurück, darunter die viel gelobten Bücher "Der Kameramörder" und "Die Arbeit der Nacht". Als Glavinic 2006 den zuletzt genannten Roman veröffentlichte, gab es nicht wenige, die darin einen Kandidaten zumindest für die Longlist des Deutschen Buchpreises sahen. Es kam anders, und genau davon handelt Glavinic' neuestes Buch "Das bin doch ich", das - an dieser Zuweisung sind Zweifel erlaubt - die Gattungsbezeichnung "Roman" trägt. Denn auf den ersten, vielleicht sogar auf den zweiten Blick geht es um den Autor selbst. Sein Protagonist heißt wie er und hat, zu Anfang, soeben einen umfangreichen Roman fertiggestellt, der den Titel "Die Arbeit der Nacht" trägt.
Etwa ein Jahr lang nehmen wir Anteil an den Irrungen und Wirrungen dieses Schriftstellers, verfolgen, wie es seiner Agentin gelingt, den renommierten Hanser Verlag dafür zu interessieren, wie die Verlagsvorschau erscheint und wie der selbstbewusste Autor darauf spekuliert, zumindest ins Vorzimmer des Deutschen Buchpreises vorgelassen zu werden. Die Mühe fiktionaler Verschlüsselung scheint sich Thomas Glavinic nicht gemacht zu haben; mit unverstellter Deutlichkeit treten (semi)bekannte Figuren des bundesdeutschen und österreichischen Literaturbetriebs auf, agieren Meinungsbildner wie Denis Scheck, Klaus Nüchtern und Elmar Krekeler oder Verleger wie Michael Krüger und Günter Berg. Juristische Rücksichten - es wäre wohl ein Leichtes, gegen Glavinic' Roman mit einstweiligen Verfügungen vorzugehen - werden keine genommen. Der Autor und sein Held geben ungeschminkt wieder, welche Erniedrigungen zu ertragen sind, wenn man sich literarisch an die Öffentlichkeit wagt.
Die Pointe der Glavinic'schen Suada besteht darin, dass hier monatelang auf eine Preisnominierung gehofft wird und sich, fast am Ende des Buches, genau jene Shortlist 2006 findet, die (ungerechtfertigterweise, das sei angemerkt) zwar 21 Titel verzeichnet, "Die Arbeit der Nacht" jedoch nicht. All das Hoffen und Ringen verpufft im Leeren, und wieder einmal sieht sich der Autor als Romanfigur in seiner Auffassung von der Schlechtigkeit der Welt bestätigt. Geklagt und lamentiert wird ohnehin viel in diesem Buch, vermengt mit gehörigen Portionen Hypochondrie und Selbstgeißelung. Glavinic' Ich leidet letztlich unter allem, was die Welt ihm zuträgt. Mal fürchtet er Hodenkrebs, mal innere Verletzungen, mal bangt er um sein spärliches Haupthaar, mal sieht er sich von Rechtsradikalen, mal von einer Ex-Freundin verfolgt, mal nehmen ihn Kfz-Mechaniker nicht ernst, mal ziehen grauenvolle Nudeldüfte durchs Zugabteil, und mal gerät er in die Fänge einer ahnungslosen Filmjury.
Thomas Glavinic' erzählerischer Kniff besteht darin, sein Alter Ego zu einer jämmerlichen, wehleidigen und jähzornigen Künstlerfigur zu stilisieren, die ihr Heil in übermäßigem Alkoholkonsum sucht und nächtens wütende Mailattacken in den Kosmos schickt. "Offenbar wirke ich zeitlos abschreckend", erkennt das Ekelpaket, das gleichzeitig von der Größe seines eigenen Tuns überzeugt ist: "Denn wer meine Bücher ablehnt, ist des Teufels." Wie es ist, erfolgreich zu sein, das studiert das Ich an seinem Freund, dem Kollegen Daniel Kehlmann, der per Anruf oder SMS - ein "running gag" - die nach oben katapultierenden Verkaufszahlen seines Romans "Die Vermessung der Welt" mitteilt, oder am Fußballidol Herbert Prohaska, mit dem zu Mittag gespeist wird.
So sehr "Das bin doch ich" von den Usancen des Literaturbetriebs handelt und so sehr sich Literaturkritiker in ersten Rezensionen darüber freuten, hier sich und ihr Metier wiederzuerkennen, so verfehlt wäre es, das Buch als bloßen Schlüssel- oder Betriebsroman zu lesen. Wer genauer hinsieht, merkt, wie die Ohnmachtsschübe des Helden mit Gewaltfantasien einhergehen, die man aus Glavinic' früheren Büchern kennt. Mühsam nur gelingt es ihm, sich vor dem PC, im Taxi oder auf dem Kinderspielplatz zu zähmen. Es brodelt an allen Ecken und Enden, und Kleinigkeiten genügen, um Gewaltausbrüche zu provozieren.
Zudem bedroht Langeweile den Alltag des Helden, einen Zustand, den auch Frau und Kind - merkwürdig blasse Figuren übrigens - nicht beheben können. In der Darstellung dieser Langeweile, die blitzartig in Kontrollverlust umschlagen kann, liegt die Tiefenschicht des Romans: Ein Schriftsteller, der hoch hinaus will, fühlt sich Tag für Tag am Rande des Abgrundes. Ob er sich die Gefahren einbildet oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Geschickt versteht es Glavinic, dieses Lamento nicht überborden zu lassen und seinem Text eine oft sehr komische Note zu geben. Die Sesselliftfahrt mit dem Schwiegervater, die Begegnung mit einem amerikanischen Großautor, der vielleicht Jonathan Franzen heißt, Familienfeiern, bei denen sich der Held Fragen nach seinem mäßigem Erfolg gefallen lassen muss - das sind Glanzlichter eines autobiografischen Werkes, das in seinem Übertreibungsgestus das Autobiografische nach und nach beiseite schiebt.
Vor diesem Hintergrund macht es sich "Das bin doch ich" vielleicht zu leicht. Die Konstruktion eines unflätigen, sich selbst erniedrigenden Ichs sorgt über weite Strecken für eine Eindimensionalität, die zwar ihre witzigen Seiten hat, bald jedoch kaum Überraschendes birgt. So wundert es nicht, dass man über das Künstlertum dieses Schriftstellers, über seinen Impetus herzlich wenig erfährt. Warum er Romane schreibt und was "Die Arbeit der Nacht" für ihn bedeutet, bleibt im Nebulösen. Nur an wenigen Stellen verlässt das Ich seinen selbst gezimmerten Sandkasten und gibt zu erkennen, welche Sehnsüchte es antreiben - etwa als er sich Denis Johnsons Buch "Train Dreams" kauft und, von der Lektüre begeistert, plötzlich innehält: "Ich habe mir Gedanken gekauft, die Chance, mehr zu werden."
Zu selten riskieren es Glavinic & Co., aus den Bahnen ihrer (Selbst-)Anklageschrift auszubrechen, und deshalb wirkt "Das bin doch ich" wie ein Intermezzo innerhalb eines viel versprechenden Œuvres, nicht wie ein Hauptwerk. Die Ironie des Bücherschicksals freilich wollte es, dass es Glavinic mit "Das bin doch ich" auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2007 gelangte…

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