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˜Dieœ Nacht, als ich sie sah Roman Drago Jančar. Aus dem Slowen. von Daniela Kocmut und Klaus Detlef Olof

By: Contributor(s): Material type: TextTextLanguage: German Original language: Slovenian Series: TransferBibliothek ; 125Publisher: Wien Bozen FolioVerl. 2015Description: 188 S. 22 cmContent type:
  • Text
Media type:
  • ohne Hilfsmittel zu benutzen
Carrier type:
  • Band
ISBN:
  • 9783852566702
Contained works:
  • Jančar, Drago 1948- To noč sem jo videl dt
Subject(s): Genre/Form: Additional physical formats: Online-Ausg.: No title; Online-Ausg.: ˜Dieœ Nacht, als ich sie sahDDC classification:
  • 891.8 B 23sdnb
Online resources: Review: Quelle: www.rezensionen.at - Im Krieg werden alle Biographien gebrochen und nur durch unordentliches Durcheinander-Erinnern lassen sich die Verhältnisse rudimentär erzählen. Drago Jancar erzählt anhand einer verschwundenen Frau ein Stück jugoslawischer Zeitgeschichte und deren Aufarbeitung in Slowenien. Etwas Verschwundenes kann eigentlich nur dadurch in Umrissen rekonstruiert werden, indem man die Einschau-Punkte neu vermisst und auf die Erinnerung hofft, mit der das Unsichtbare zu einem Bild zusammenfügt werden kann. Die lebensfrohe, selbstbewusste und erotisch pragmatische Veronika versucht durch das Chaos der Kriegszeiten zu kommen, indem sie sich mit allen Machtvertretern gut stellt. Das Herumwickeln der Männer und Abwickeln der Beziehungen gelingt ihr bestens, alle Beteiligten stehen noch nach Jahrzehnten unter Beziehungsschock. Da ist Veronika schon längst von Partisanen entführt und zu Tode gekommen. Fünf Personen erzählen hintennach jenen zeithistorischen Abschnitt, der sie mit der Heldin in Beziehung gebracht hat. Der heimische Kavallerie-Offizier muss ihr während der Kriegsvorbereitungen Reitunterricht geben und lernt noch eine Menge zur Reitkunst dazu, als er mit ihr durchbrennt und an die türkische Grenze versetzt wird. Der gehörnte Mann zieht einstweilen die Strippen und den Widersacher aus dem Verkehr. In einer späten Sequenz, als die Partisanen bereits die Kriegsgefangenen sortieren, kommt es zur "Nacht, als ich sie sah". Dabei ist sich der Ich-Erzähler nicht sicher, ob es sich um Veronika handelt, selbst als sie zu ihm spricht, hat das nichts mit Gewissheit zu tun. Im nächsten Erinnerungskasten blättert die Mutter die Fotos durch und wartet, dass die Verschwundene wieder auftaucht. Ein Wehrmachtsarzt, längst zu Hause in München, erinnert sich an seine Auftritte mit der Heldin, die sich mit ihrem Mann auf ein Schloss zurückgezogen hat. Während rundherum die Armeen kollabieren, regt sie sich über einen Frosch auf, der in der Schlosszufahrt überfahren wird. Als die Partisanen sie mit dem Deutschen sehen, konstruieren sie ein Verhältnis daraus und entführen sie. Nachdem die Haushälterin erzählt hat, wie man Veronika von der Burg holt, berichtet ein Bauer mit Partisanenpension anlässlich eines Kollegenbegräbnisses von der Vorgangsweise der Partisanen gegenüber Kollaborateuren. In all diesen Sichtweisen kommen Überlebensstrategien zum Vorschein. "Niemand schätzt Menschen, die nur leben wollen." (107) So lange jemand für eine Idee gekämpft hat, kann er hintennach darüber nachdenken, ob es richtig gewesen ist. Aber der pure Überlebensinstinkt führt ins Animalische, heißt es in der Aufarbeitung, denn es gibt fast nur Verlierer und Verschollene. Manchmal grenzt diese Art der Erinnerungskultur ans Skurrile, wenn etwa ein Offizier dem Delinquenten befiehlt, er soll sich endlich beruhigen, damit er ihn ordnungsgemäß hinrichten kann. Drago Jancars Methode, die Zeitgeschichte mit kunstvoll positionierten Zeitzeugen zu hinterlegen, ergibt eine überraschend wahre Geschichte, voller individueller Einsichten, die dem Strom des Erinnerten etwas Persönliches geben. Bei Drago Jancar haben Einzelne die Chance auf Intimität in der Geschichte. Helmuth Schönauer
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Bücher Bücher Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB Belletristik DR JAN (Browse shelf(Opens below)) Available 10128169

Quelle: www.rezensionen.at -

Im Krieg werden alle Biographien gebrochen und nur durch unordentliches Durcheinander-Erinnern lassen sich die Verhältnisse rudimentär erzählen.
Drago Jancar erzählt anhand einer verschwundenen Frau ein Stück jugoslawischer Zeitgeschichte und deren Aufarbeitung in Slowenien. Etwas Verschwundenes kann eigentlich nur dadurch in Umrissen rekonstruiert werden, indem man die Einschau-Punkte neu vermisst und auf die Erinnerung hofft, mit der das Unsichtbare zu einem Bild zusammenfügt werden kann.
Die lebensfrohe, selbstbewusste und erotisch pragmatische Veronika versucht durch das Chaos der Kriegszeiten zu kommen, indem sie sich mit allen Machtvertretern gut stellt. Das Herumwickeln der Männer und Abwickeln der Beziehungen gelingt ihr bestens, alle Beteiligten stehen noch nach Jahrzehnten unter Beziehungsschock. Da ist Veronika schon längst von Partisanen entführt und zu Tode gekommen.
Fünf Personen erzählen hintennach jenen zeithistorischen Abschnitt, der sie mit der Heldin in Beziehung gebracht hat. Der heimische Kavallerie-Offizier muss ihr während der Kriegsvorbereitungen Reitunterricht geben und lernt noch eine Menge zur Reitkunst dazu, als er mit ihr durchbrennt und an die türkische Grenze versetzt wird. Der gehörnte Mann zieht einstweilen die Strippen und den Widersacher aus dem Verkehr. In einer späten Sequenz, als die Partisanen bereits die Kriegsgefangenen sortieren, kommt es zur "Nacht, als ich sie sah". Dabei ist sich der Ich-Erzähler nicht sicher, ob es sich um Veronika handelt, selbst als sie zu ihm spricht, hat das nichts mit Gewissheit zu tun.
Im nächsten Erinnerungskasten blättert die Mutter die Fotos durch und wartet, dass die Verschwundene wieder auftaucht.
Ein Wehrmachtsarzt, längst zu Hause in München, erinnert sich an seine Auftritte mit der Heldin, die sich mit ihrem Mann auf ein Schloss zurückgezogen hat. Während rundherum die Armeen kollabieren, regt sie sich über einen Frosch auf, der in der Schlosszufahrt überfahren wird. Als die Partisanen sie mit dem Deutschen sehen, konstruieren sie ein Verhältnis daraus und entführen sie.
Nachdem die Haushälterin erzählt hat, wie man Veronika von der Burg holt, berichtet ein Bauer mit Partisanenpension anlässlich eines Kollegenbegräbnisses von der Vorgangsweise der Partisanen gegenüber Kollaborateuren.
In all diesen Sichtweisen kommen Überlebensstrategien zum Vorschein. "Niemand schätzt Menschen, die nur leben wollen." (107) So lange jemand für eine Idee gekämpft hat, kann er hintennach darüber nachdenken, ob es richtig gewesen ist. Aber der pure Überlebensinstinkt führt ins Animalische, heißt es in der Aufarbeitung, denn es gibt fast nur Verlierer und Verschollene. Manchmal grenzt diese Art der Erinnerungskultur ans Skurrile, wenn etwa ein Offizier dem Delinquenten befiehlt, er soll sich endlich beruhigen, damit er ihn ordnungsgemäß hinrichten kann.
Drago Jancars Methode, die Zeitgeschichte mit kunstvoll positionierten Zeitzeugen zu hinterlegen, ergibt eine überraschend wahre Geschichte, voller individueller Einsichten, die dem Strom des Erinnerten etwas Persönliches geben. Bei Drago Jancar haben Einzelne die Chance auf Intimität in der Geschichte.
Helmuth Schönauer

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