Atalanta-Läufer_in Roman Lilly Axster
Material type: TextLanguage: German Publisher: Wien Zaglossus 2014Edition: 1. AuflDescription: 155 S. 20 cmContent type:- Text
- ohne Hilfsmittel zu benutzen
- Band
- 9783902902115
- 830 B 23sdnb
Item type | Current library | Collection | Call number | Status | Date due | Barcode | |
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Bücher | Schulbibliothek BSZ Mistelbach ZSB | Belletristik | DR AXS (Browse shelf(Opens below)) | Available | 10122600 |
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Quelle: www.rezensionen.at - Christina Ulm
Annotation: Der Roman folgt in experimenteller Sprache der Identitätssuche von Atalanta, dem schnellstem Läufer der Welt, der als Frau enttarnt wird.
Rezension: Mit dem Unterstrich im Titel verwendet Lilly Axster nicht nur die wohl aktuellste Form geschlechtergerechter Sprache, sie deutet mit dem Gender Gap auch das Fragmentarische ihres Romans an. Denn nur fragmentarisch kann man sich allen möglichen Erscheinungsformen und Rollen einer Figur nähern. Bereits in einem Theaterstück hat Lilly Axster Atalanta (Lan) porträtiert: den schnellsten Menschen/ Mann der Welt, dem nach einem gewonnenen, bedeutsamen Rennen ein Tampon aus der Tasche fällt – Indiz seines eigentlich weiblichen Körpers.
In der literarischen Adaption des Stückes folgt auf diese anfängliche Enttarnung repetitive Flucht – nicht nur in den darauf folgenden Ereignissen, sondern auch in der Rückschau auf das Leben von Atalanta, das die Autorin parallel zum gleichnamigen griechischen Mythos führt: Dort wird Atalanta von Iasos im Wald ausgesetzt, weil sie nicht den Erwartungen entspricht, von Artemis mit einer Bärin genährt und schließlich zur schnellsten Läuferin. Diese Anlehnung an Ovids Metamorphosen wird konkret ausgedeutet, auch Atalanta selbst erkennt die Gleichung und wird in den Gedanken anderer selbst zum Mythos.
Im Speziellen die Laufszenen sind sprachlich eindringlich gelöst, sie suggerieren das gehetzte Suchen nach Identität und treffen sich in ihrer elaborierten Art mit jener Spracherprobung, die Atalanta bei ihrer Migration vom Eiland aufs Festland vollzieht, als „Sans-Papier“. Damit spricht Lilly Axster ein weiteres – lokal bestimmtes – Moment von Identität an.
Immer wieder greift sie dabei auf drei zentrale Motive zurück: Name, Kleidung und Mythos. Vom umstrittenen und entflohenen Kind über den blinden Passagier eines Frachtschiffes und schließlich zum/ zur Gewinner_in durchlebt Atalanta markante Stationen. Die biographischen Bruchstellen sind an ein (metaphorisches) Ausprobieren neuer Kleidung gekoppelt. So findet Lan als biologisches Mädchen in ihrer Jugend „in ein neues Leben hinein und probiert das ER an wie die Unterhosen und wie die neue Trainingsjacke, die er im Sportinternat, in der das er aufgenommen wird, ausgehändigt bekommt“.
Andererseits folgen dem Rollenwechseln auch (Selbst-)Benennungen. Lilly Axster gibt ihrer Figur mehrere Namen: Die Variationen von Ata, Lan, Atalanta oder schließlich versöhnt Ata_Lan umkreisen dabei immer jenes Ich, das „hinter“ sprachlichen Einordnungen steht. Damit berührt der Roman tiefe Schichten der Existenz, die mit Begriffen nicht zu fassen sind. So werden nicht nur Dichotomien wie Mann/Frau dekonstruiert, sondern überhaupt Überbegriffe wie „Geschlecht“ oder auch „Familie“. Dass diese sich letztlich in Individualität auflösen, wird klar, wenn man Atalanta bei ihrer/seiner Reise zu Glück und Liebe folgt und sich immer weniger die Frage stellt, wie man diesen Menschen nun benennen soll. Mit jeder Erzählperspektive bedient der Roman andere (queere) Diskurse und stößt dank der kunstvollen und doch immer greifbaren Sprache auch Jugendliche zur Reflexion an. Über die Personen, die wir im Laufe unser Biographie sind. Nacheinander. Nebeneinander. Gegeneinander.
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