Ziegler, Jean 1934-

˜Dieœ neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher Jean Ziegler. Aus dem Franz. übertr. von Holger Fliessbach - 1. Aufl. - 317 S. 22 cm

Quelle: www.rezensionen.at -

Jean Ziegler war stets ein gleichermaßen radikaler wie überzeugender Kritiker des exzessiven Kapitalismus. Als intimer Kenner und Kritiker der eidgenössischen und internationalen Finanzoligarchie hat er seit Jahren seine Stimme erhoben. Deutlich, unbestechlich und glasklar wusste er die Strategie der Prediger des "freien Marktes" aufzuzeigen. Erbitterter Widerspruch, aber auch Zuspruch sind ihm auch weiterhin sicher, zumal "das Elend der Welt weiter anwächst und die Arroganz der Mächtigen zunimmt".
Um so wichtiger ist dieser Titel, in dem es Jean Ziegler darum geht, aus intimer Kenntnis die Strategien der neuen Herrscher aufzudecken, radikal zu hinterfragen und vor allem auch Perspektiven für eine andere Weltordnung auszuloten. Beides leistet der Autor in diesem authentischen, kenntnisreichen und mutigen Buch.
Zunächst wendet sich Ziegler der Geschichte der Globalisierung und der dominanten Rolle des "Imperiums" zu. Nichts weniger als die "Privatisierung der Welt" - so der Befund - ist dessen Ziel, wie der im Jahr 1989 (!) von John Williamson, dem Vizepräsident der Weltbank, formalisierte "Konsens von Washington" nachdrücklich zeigt. Ziegler macht deutlich, dass die Ausschaltung jeder Form von staatlicher wie auch nicht-staatlicher Kontrolle des "freien Marktes" das erklärte Ziel der weltbeherrschenden Finanzmacht und ihrer Gefolgsleute ist. Gestützt auf falsche Versprechungen (Globalisierung nutzt allen, eint die Finanzmärkte, garantiert den Frieden) hat sie, so der Verfasser, nur die Vermehrung des "Blutgeldes" im Sinn. Doch "praktisch alle fundamentalen Aussagen der Ideologie der Herrscher befinden sich in flagrantem Widerspruch zur Realität" (S. 69). Tatsächlich nehme "der Weltkrieg gegen die Armen seinen Gang" (S. 73). Eine gravierende Anklage, gewiss, die um so mehr an Bedeutung dadurch gewinnt, dass Ziegler sie durch eine Fülle von Fakten und authentisch vermittelten Begegnungen aus allen Teilen der Welt zu belegen weiß.
Dem vom Virus der Korruption befallenen Biotop der Beutejäger ist der zweite Abschnitt vorbehalten: Gewachsen aus der Agonie des Staates und begleitet von der zunehmenden Verwüstung der Natur sei nicht die Befreiung, sondern die "Zerstörung des Menschen" zu konstatieren. Und dies gelte keineswegs nur für die Rechtlosen und Ausgebeuteten, die nach der Terminologie von WIF und Weltbank in derzeit 49 "Less Advanced Countries" leben. Vielmehr sind wir alle zunehmend Opfer einer Wirtschaft, "die übermäßig individuelle Konkurrenz, Unsicherheit der Beschäftigung, Gefährdung des sozialen Status und Ängste erzeugt" (S. 101).
Den Mechanismen der "Kriegsmaschine WTO" ist ein weiterer Abschnitt gewidmet. Ziegler gibt Einblick in die US-republikanisch dominierte Führungsgarde der WTO und durchleuchtet das mentale Gerüst der wohlsituierten "Söldner des Kapitals". Mit Laptops und theoretisch hoch differenzierten Entwicklungsprogrammen ausgerüstet, seien sie gewohnt, weltweit mit den Mächtigen zu verhandeln. Das Leid der Menschen vor Ort bekämen sie hingegen nicht zu Gesicht.
Weder in der Stärkung der Nationalstaaten noch in der Etablierung einer Weltregierung etwa auf Grundlage der Vereinten Nationen sieht Ziegler das Potenzial zur Wiedergewinnung der Freiheit und Menschenwürde für das vom "globalisierte Kapital auf seine reine Funktionalität reduzierte Individuum" (S. 234). Die Front des Widerstandes würden vielmehr , so ist der Autor überzeugt, die Arbeiter- und Gewerkschafts-, Bauern- und Frauenbewegungen in aller Welt, aber auch die VertreterInnen indigener Völker bilden; hinzu kämen die Umweltbewegungen und die zahlreichen sozialen Bewegungen, "die sich nicht auf partielle Intervention beschränken, sondern den Anspruch erheben, die planetarische Ordnung des Finanzkapitals als ganze zu reflektieren, der Kritik zu unterziehen und zu bekämpfen" (S. 241). "ATTAC", "Jubilé 2000" (tritt für einen sofortigen Schuldenerlass für die Länder der Dritten Welt ein), das "Forum der Armen" (Thailand), das von dem charismatischen Martin Khor initiierte "Third World Network" oder auch "Amnesty International" sind Indiz für eine im Entstehen begriffene "planetare Zivilgesellschaft", deren Morgenröte wir heute erleben.
"Indem ich schreibe", so Jean Ziegler zu Beginn dieses kenntnisreichen, entlarvenden und zugleich ermutigenden Buches, "kann ich dazu beitragen, die Dogmen der neuen Herrscher der Welt zu entkräften." (S. 17) Dieses Engagement verdient breite Aufmerksamkeit, denn überzeugender ist die menschenverachtende Strategie des Neoliberalismus kaum dargestellt worden. Walter Spielmann
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