˜Dieœ Verjagten Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts Jan M. Piskorski. Aus dem Poln. von Peter Oliver Loew

Literaturangaben

Quelle: www.rezensionen.at - Frieder Rabus

Umfassende Darstellung von Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts. (GE)
Flucht und Vertreibung gab es im 20. Jahrhundert millionenfach in Europa, mehr als sonst irgendwo auf der Welt. Hauptursachen dafür waren Kriege, vor allem der Zweite Weltkrieg, Völkervielfalt und rassistische Verfolgung von Minderheiten. Mit Akribie und Herzblut hat der polnische Historiker Jan M. Piskorski dieses komplizierte, vielseitige, kaum überschaubare Thema erfolgreich in Angriff genommen und hunderte Quellen ausgewertet. Das ansehnliche Ergebnis ist ein umfassendes Geschichts- und Nachschlagewerk. Wegen der unzähligen Fakten und um den roten Faden behalten und die Zusammenhänge verstehen zu können, sollte man zum Lesen viel Zeit und Geduld mitbringen. Die Mühe lohnt allein schon deshalb, weil man damit die furchtbaren Geschehnisse dem allmählichen Vergessen entreißen kann.
Das Buch liest sich erstaunlich kurzweilig, es gibt keine ermüdenden Zahlenkolonnen, nur grobe Einteilungen nach Schwerpunkten wie Balkankriege, Erster Weltkrieg, Chaos im Osten nach dem Zweiten Weltkrieg. Hervorzuheben ist die wohltuend neutrale Darstellung der Ereignisse und das Vermeiden von Ressentiments oder gar Aufrechnungen, welches Volk dem anderen Übleres angetan haben könnte. Im Vordergrund steht der menschliche Faktor und wie sich der Mensch in extremen Situationen verhalten hat. Einfallende Russen haben deutsche Kinder umgebracht, aber sie haben auch deutschen Kindern das Leben gerettet, als deren Eltern aus Angst vor der nahenden Truppe versucht hatten, ihre eigenen Kinder zu ertränken.
Reiches Bildmaterial und Europakarten mit den verschiedenen historischen Grenzen zwischen 1900 und 2008 ergänzen den für Alt und Jung sehr empfehlenswerten Band.