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_aGlavinic, Thomas
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520 1 _aQuelle: www.rezensionen.at - Helmut Gollner Thomas Glavinic: "Die Arbeit der Nacht" Der Spaß ist vorbei Thomas Glavinics neuer Roman, inzwischen als eines der großen Ereignisse der literarischen Saison weithin gelobt, raubt der Existenz alle Sicherungen: ein verlässliches Ich und damit eine verlässliche Realität. Ein Mann ist allein auf der Welt, alle 400 Seiten des Buches lang. Die Bedingungen menschlicher Existenz sind dadurch auf eine Weise neu gemischt, dass Existenz in ihren Bedingungen neu erfahrbar wird. Glavinic braucht dafür kein Horrorszenario zu entwerfen, sondern nur seine Ängste ernst zu nehmen: die konkrete Wirklichkeit mit dem Wahnsinn des Ichs zu versetzen bzw. den Wahnsinn des Ichs mit konkreter Wirklichkeit auszustatten. Das Ich ist der Stoff, aus dem durch Erzählung authentische Welten gemacht werden, und authentische Weltdarstellungen sind Ich-Erzählungen. Der Roman hat also Besseres zu bieten als Wahrscheinlichkeit, Orientierung und Sinn: Authentizität. Gespielt wird da nicht mehr, hat man sofort den Eindruck, nicht Kultur, nicht Eloquenz oder Schlagfertigkeit, nicht Witz oder Provokation, nicht junger Wilder und nicht klassischer Erzähler - hier wird (existenzieller) Ernst gemacht. Glavinics Roman entwickelt gerade jenen Wahnsinn, den Literatur braucht, um die Existenz zur Kenntlichkeit zu ver-rücken. Jonas erwacht, macht sich Kaffee, verfehlt mit dem Messer das Brot und schneidet sich in den Finger, Fernseher kaputt, Computer gestört, Handy ohne Verbindungen. Aber erst an der Bushaltestelle merkt er, was wirklich los ist an diesem 4. Juli: kein Mensch auf der Straße, keiner im Auto oder in den Wohnungen; Stille und Stillstand. Grenzenlose Freiheit: aber sie nützt nichts. Jonas kann alle Autos aufbrechen, alle Geschäfte, aber kein Auto nützt etwas, wenn es kein Ziel gibt, das Erlösung bringt, Bereicherungen nützen nichts, weil Reichtum sinnlos geworden ist. Einziges Thema ist der Mitmensch. Jonas sucht Spuren von ihm und hinterlässt Spuren für ihn. Seine Suche wird zunehmend paranoid, er ist mit Pumpgun unterwegs. Zur Angst, der einzige Mensch auf der Welt zu sein, kommt die Angst, nicht der einzige zu sein. Kosmisches Alleinsein, das ist eine ungeheure Zumutung; alle sozialen Verhaltensziele entfallen, Imperative von außen gibt es nicht mehr, nur mehr von innen: jedenfalls Nahrungsaufnahme und Nahrungsabgabe. Aber auch die sind sinnlos, weil Biologie ihren Sinn verloren hat, auch wenn sie ihre Funktion behält. Und der Kopf? Dessen Nahrung Sinn ist, Zusammenhang und Verstehbarkeit? Ohne Sinn wird der Kopf zum Selbstmordregisseur. Und natürlich hat Jonas den Kopf voll Ich, ungleich drängender als in Zeiten sozialer Betätigung und Bestätigung, die die Identität zu einer vergleichsweise selbstverständlichen gemacht haben. Jonas' Tätigkeiten in der Leere werden folgerichtig alle zur Ich-Suche, zur Identitätsvergewisserung. Was bleibt auch über, wenn das Ich bis in die banalsten Alltagsverrichtungen in Frage gestellt ist? Jonas fährt die Orte seiner Kindheit ab, rich tet in der Wohnung seine Vergangenheit ein, liefert sich alten Photos aus, vergewissert sich auf dem Friedhof, dass die Toten noch da sind. Und er sucht seine Frau Marie, die zum Zeitpunkt der großen Veränderung gerade in England war. Diese England-Fahrt ist ein atemberaubend verwirrendes Stück Literatur: Die Umstände versinken vollends in Jonas' Zuständen; die Realität ist aufgedehnt zum Riesenraum des Ichs; ein Raum der Angst, also völlig real. Selbstgewissheit erzielen all die Selbstvergewisserungsaktionen natürlich nicht; im Gegenteil: sie bestätigen die absolute Verlassenheit, ihre Schrecken und ihre Unlebbarkeit. Glavinics Roman hat etwas von einem Selbstexperiment: Bis wohin reiche ich? Und keine Identifikationstätigkeit kann das so gut erkunden wie das Schreiben, jedenfalls eines, das auf die üblichen literarischen Sicherheiten verzichtet, vor allem auf die eine, die Welt mit Sinn zu sichern. - Jede Reise ins Ich destabilisiert die Welt. Die vielen Traumnotate im Buch schaffen eine zusätzliche Verunsicherung der gewohnten Konturen und der erhofften Konsistenz der Wirklichkeit. "Rattengift, Höhle, Laura, Robert, Marc tot. Marcs fremdes Gesicht. Krämpfe, Verwesung. Stille. Rotlicht. Ein Turm. Ahnung: In Felswand Wolfsvieh eingemauert. Dahinter das Schlimmste des Schlimmen." Und wenn der ganze Roman ein Traum ist, dann ist es ein Traum ohne Erwachen. Und ein Traum ohne Erwachen ist kein Traum, sondern ein ganzes, ein ganz neues Weltall. Das faszinierendste Geheimnis des Romans aber ist der "Schläfer". Jonas stellt allabendlich Videokameras vor sein Bett, um sich im Schlaf zu filmen. Während des Tages schaut er sich die Videos an. Der da in seinem Bett schläft oder wacht, ist immer schwerer in Jonas' Tagesidentität einzupassen, spaltet sich offensichtlich ab, spricht allem Wirklichkeitsvertrauen Hohn, gewinnt beängstigendes Eigenleben, hat es auf Jonas abgesehen, wächst zum unkontrollierbaren Riesen des Fremden, zum Riesen der allergrößten Angst: der vor sich selber. Der "Schläfer" ist eine Horrorfigur, der die Harmlosigkeit des Horrorgenres fehlt: er ist authentisch. (Die meisten Gespenster des Romans bestätigt Glavinic im Gespräch als autobiographisch. Wenn er Gespenster sehe, dann gebe es welche. Der Roman ist der Beweis dafür.) Das Verständlichmachen des Unverständlichen ist Glavinics Geschäft nicht; sein Geschäft ist es, das Unverstandene, das Unbeschwichtigte also zu gestalten; der Leser bekommt keine Erklärungen, er steht Fakten gegenüber, nicht ihren Interpretationen. Jonas, der entsetzlich Unabhängige, hat Kärtchen in seinen Hosentaschen, auf denen Handlungsanweisungen stehen, "Raus!" oder "Schlaf!"; er hat sie selbst geschrieben. Die Weise der Kartenbeschriftungen liest sich wie eine Schreibphilosophie des Autors selbst: "Er bemühte sich, an nichts zu denken, seinen Geist zu leeren, automatisch zu schreiben. Es gelang ihm so gut, dass er, aus einer zeitlosen Tiefe aufgetaucht, sich einen Moment fragte, wo er sich befand und was er hier tat." Glavinic bestätigt, dass "Die Arbeit der Nacht" jener seiner Romane ist, der am meisten vom Nachdenken freigehalten werden konnte. Das Buch ist in einem Stil geschrieben, der nicht extra etwas aus sich macht, der nicht darauf aus ist, ästhetischen Mehrwert jenseits dessen zu erzeugen, was Sache ist; man könnte sagen: Glavinics Erzählen besteht darin, sich ganz an die Dinge zu verausgaben und trotzdem ganz bei sich zu sein. Die Welt wird eine radikale Ich-Erzählung des Autors ohne jede Belästigung durch das Autoren-Ich. Das ist ja ein Zeichen großer Erzählkunst: die Enteignung des Privaten durch den Erzählakt, das dann im Allge meingültigen der Erzählung nur mehr als Authentizität spürbar bleibt. Glavinic wurde oft gerühmt wegen der Stilwechsel, die er von Buch zu Buch vollzieht. Tatsächlich hat er in seinen Romanen häufig mit fremder Stimme gesprochen, mit der des "Herrn Susi", mit der des "Kameramörders" und in "Wie man leben soll" im Tonfall von Lebenshilfebüchern. Aber fremde Stimmen waren es nie, sondern immer nur Facetten der eigenen; und so verschieden sind seine Inhalte gar nicht; die Inhalte finden ihren Autor verlässlich, sie kennen ihn ja. - Die Stimme im neuen Roman ist ganz nahe der eigenen, sagt Glavinic (sein Inhalt ist auch der bisher autobiographischste), und wird vielleicht in mehreren Büchern noch laut werden. Der stakkatoartige Hauptsatzstil verhindert das Einschleichen eines verständnisvollen Autors in das Phänomenale der Dinge. In kommentarlosen Detailbeschreibungen oder bloßen Nennungen erst starren die Dinge vor Fremdheit; entlassen aus den gewohnten Bezügen, werden sie alle zu kleinen Denkmälern der Sinnlosigkeit. Thomas Glavinic, 33, gehört jener Schriftstellergeneration an, die wieder fest an Fiktion und Narration glaubt, nachdem diese bei uns so lange bezweifelt worden sind (Faschismustrauma, Sprachkritik): Eine sorgfältig erzählte fiktionale Welt beschreibt die reale Welt in ihrer relevantesten Form; keine philosophische, wissenschaftliche oder journalistische Annäherung hat die komplexen Möglichkeiten des Romans, Wirklichkeit zu erfassen, meint Glavinic. Und die beste Voraussetzung, als Schriftsteller nicht zum Dozenten zu werden, ist, keine Wahrheit zu haben oder zu glauben. Der Roman ist auch ein grundphilosophisches Buch. Seine ver-rückten Ausgangsbedingungen rühren auf selbstverständliche Weise alle existenziellen und (daher) alle ontologischen Fragen auf; sie bleiben gestellt, egal ob sie von Jonas selbst gestellt werden oder nicht. Manch- mal fragt Jonas, aber seine Fragen sind noch das Staunen vor der Philosophie, und es bleibt ein von Antworten unerlöstes Staunen. Existiert die Welt auch ohne Menschen? Was ist das Sein ohne Wahrgenommenwerden? Gibt es etwas Sinnloseres als ein reines Sein? Usw. Es ist ein ontologisches Staunen: "Der Wind blies nach Norden, der Wind blies nach Süden. Der Regen regnete auf jenen Stein, auf jenen nicht. Dieses Blatt fiel, dieser Ast knickte, diese Wolke trieb am Himmel." Die Dingfestigkeit der Realität ist unfassbar. Keineswegs aber ist das Buch der Befund eines nihilistischen Philosophen, auch nicht der Entwurf eines suizidgefährdeten Dichters, sondern es hat in aller Panik etwas von unverletzter Lebensbejahung.: Dieser schreckliche, mit allen Ängsten abgefüllte Roman enthält zugleich einen Liebesroman (Marie), und sein Schluss ist innerhalb der Vorgaben durchaus auch lesbar als Happy-end.
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