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520 | 1 | _aQuelle: www.rezensionen.at - Gefangen im Weltekel Jelineks jüngster Roman ist allgegenwärtig. Kein Feuilleton, keine Literatursendung in Radio oder Fernsehen kommt an diesem Text vorüber, dessen schwere Lesbarkeit so ziemlich der einzige gemeinsame Nenner all dieser Besprechungen ist. Die deutschen Kritiker haben es ja noch leichter: Sie können den Roman als Darstellung einer dann nicht mehr weiter reflektierten "Alpenbestialität" verstehen. Zu all dem gilt die Jelinek - und das völlig zu Recht - als eine der wichtigsten und herausragenden Autorinnen unserer Zeit: Dennoch: "Gier" ist kein gutes Buch. Nicht des Inhaltes wegen: Die Geschichte vom skrupellosen, scheingemütlichen Dorfgendarmen Kurt Janisch ist rasch nacherzählt: Janisch nützt seine Position um sich alleinstehenden, vom Leben enttäuschten Frauen anzunähern. In seiner Gier nach Geld, Besitz und sexueller Hörigkeit findet er in diesen Frauen willige Opfer. Der Mord, der am Ende der "Beziehungen" steht, ist nur die letzte Konsequenz dieses Verhaltens. Diese Geschichte eines gierigen Mannes, der sich die Körper und die Häuser der Frauen unter deren zustimmender Mithilfe holt, ist nur die Oberfläche einer - wie in Jelineks Texten üblichen -Analyse der gesellschaftlichen Zustände, die dies erst ermöglicht. Dass hier auch die aktuelle politische Konstellation Österreichs nicht zu kurz kommt, versteht sich ohnehin von selbst. Die Autorin scheitert nicht am Thema, sondern an der literarischen Verfahrensweise. Wo die Welt nur mehr schlecht ist, haben auch politisch intendierte Texte ihr Recht verloren. Wozu gegen eine Welt anschreiben, die keine Hoffnung verspricht? Jelinek, die in ihren früheren Texten, insbesondere bei den "Liebhaberinnen" und der "Klavierspielerin" ihre ganz persönliche und unverwechselbare epische Distanz entwickelt hat, wird zur Gefangenen ihres eigenen Weltekels. Dass sich eine Erzählerin ständig in den Erzählfluss einbringt, ist legitim, wenn der Plot allerdings nur mehr als Vorwand für diese Reflexionen dient, wird der Text fragwürdig. Früher war oft metaphorisch vom Skalpell die Rede, mit dem Jelinek ihre Stoffe sprachlich sezierte, doch die Gier - wohl mehr mit dem Herzblut der Autorin verfasst - kommt mit einer barock-marxistischen Sprachwalze daher, die bestenfalls mit einigen, wenig gelungenen Sprachspielen zum mühsamen Weiterlesen verlockt. Das vielleicht gelungenste Beispiel dafür, das allerdings bereits auf Seite 29 zu finden ist: "Raiffeisen hält also auch die Hand auf, nein, beide Hände, und dazwischen unser Hals." Schade, man wird nun wieder mehr Energie aufbringen müssen, die Jelinek gegen die tumben Zeitgeistrabauken, die schon immer gegen sie waren, zu verteidigen. Nach dem Roman "Lust" und dessen von Jelinek selbst eingestandenen literarischen Scheitern hätte es die Autorin besser wissen können. Hans Putzer *Sz* 4/2000 | |
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